taz.de -- Marode Atommüllfässer: Altlasten im Untergrund

Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck stellt ein Konzept für die Bergung des Atommülls im Atomkraftwerk Brunsbüttel vor. Bis zum Jahr 2018 sollen die letzten rostigen Fässer umgefüllt sein.
Bild: Soll bald atommüllfrei sein: das Zwischenlager des Atomkraftwerks Brunsbüttel

KIEL taz | Rost, giftig-schillernde Nässe auf dem Boden, zerfallende Behälter – die Atommüll-Fässer, die in Kavernen auf dem Gelände des Atomkraftwerks Brunsbüttel lagern, sind in schlechtem Zustand. Vor drei Jahren wurde erstmals ein brüchiges Fass gefunden wurde, weitere Untersuchungen in den sechs unterirdischen Lagern zeigten neue Probleme. Jetzt sind die gut 630 Fässer fast vollständig gesichtet und es gibt ein Konzept, um den strahlenden Müll zu bergen und umzufüllen.

„Ein Schritt, um zumindest dieses Problem zu lösen“, sagte Schleswig-Holsteins Umwelt und Energieminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der technischen Details am Montag in Kiel. Die Fässer, die schwach und mittelradioaktive Abfälle aus dem Betrieb des Kraftwerks enthalten, spielen in der Debatte um End und Zwischenlager aber nur eine kleine Rolle. Habeck machte deutlich: „Der Rückbau des Werks hat Priorität – und bei der Debatte um ein Zwischenlager für Castoren will Schleswig-Holstein helfen, aber das kann nicht bedeuten, Abstriche an der Sicherheit zu machen.“

Drei Jahre, bis 2018, wird es vermutlich dauern, die Müllfässer zu bergen. Dazu setzt der Energieversorger Vattenfall eigens konstruierte Greifer und Spezialkräne ein, mit denen die teilweise extrem verrosteten Fässer aus den Lagern gehoben und in neue Container umgefüllt werden. Diese Arbeiten geschehen in „einer Halle in der Halle“, in der Unterdruck herrscht. Die Geräte werden ferngesteuert, „damit unsere Mitarbeiter sich dort nicht aufhalten müssen“, sagte Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter von Vattenfall für Norddeutschland. Auch die Kavernen können nicht betreten werden – nur mit Spezialkameras erforschten die Arbeiter die Altlasten im Untergrund.

Der Müll sollte eigentlich nur wenige Jahre auf dem Gelände des Werks bleiben und dann in den Schacht Konrad, das geplante Endlager für schwach-radioaktive Abfälle, gebracht werden. Da Konrad aber noch nicht freigegeben ist, bleibt der Müll in Brunsbüttel. Er soll in 58 Container umgeladen werden, die „Konrad-tauglich“ sind. Die Bergungsaktion wird Vattenfall nach eigener Schätzung elf bis 15 Millionen Euro kosten. Öffentliches Geld fließt dafür nicht.

„Politisch relevanter“ ist für Habeck, dass der Rückbau des Werks beginnt. „Die Brennelemente müssen raus“, erklärte der Minister. Noch unklar ist aber, wohin die hoch-verstrahlten Teile des Alt-Meilers transportiert werden. Zurzeit stehen neun Castoren auf dem Gelände – sie sind aber nur noch geduldet, seit ein Gericht dem Standort Brunsbüttel die Genehmigung entzogen hat. Weitere Castoren, egal ob sie Müll aus Brunsbüttel enthalten oder von der Aufbereitungsanlage in Sellafield zurückkehren, können nicht gelagert werden.

Habeck schlug nun das Atomkraftwerk Brokdorf als Ausweich-Standort vor: „Nach unserer Auslegung gibt das Atomgesetz das her.“ Allerdings kann das Landesministerium diese Frage nicht entscheiden: Die Brokdorf-Betreiberin Eon müsste einen Antrag stellen, das Bundesamt für Strahlenschutz zustimmen.

Außerdem ist der Platz begrenzt und wird immer knapper, schließlich ist Brokdorf noch am Netz und „produziert täglich neuen Müll“, sagte Eka von Kalben, Fraktionschefin der Grünen im Kieler Landtag. Pro Jahr fallen etwa 2,5 Castoren in Brokdorf an. Aus Brunsbüttel müssten elf Castoren angeliefert werden – wenig Spielraum also für Sellafield-Behälter, die Schleswig-Holstein nehmen wollte, um die Suche nach einem sicheren Endlager nicht zu blockieren.

Wie schwierig allein der Umgang mit den vergleichsweise harmlosen Müllfässern ist, zeigen die vorsichtigen Planungen von Ministerium und Werksbetreiber. „Es wird sicher Nachjustierungen geben“, ahnt Habeck. Dass die „lüftungstechnische Einhausung“, unter der die tropfenden Fässer geborgen werden, die sprechende Abkürzung „LEK“ trägt, soll hoffentlich kein schlechtes Omen sein.

9 Feb 2015

AUTOREN

Esther Geißlinger

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