taz.de -- Berufung gegen Küken-Urteil: Streit über Schreddern

Ein Gericht hat das Verbot der Massentötung männlicher Junghühner in Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Das Land will nun in Berufung gehen.
Bild: Will leben: Küken

BERLIN taz | Der juristische Streit über die Massentötung männlicher Eintagsküken geht weiter. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) kündigte Berufung gegen das Küken-Urteil des Verwaltungsgerichts Minden an. Das Gericht hatte entschieden, dass das millionenfache Töten der Junghühner nicht per Erlass durch die Landesbehörde verboten werden könne. Dazu fehle die gesetzliche Ermächtigung.

Nordrhein-Westfalen hatte im September als erstes Bundesland die Tötung männlicher Küken in allen zwölf Brütereien des Bundeslands zum 1. Januar 2015 verbieten lassen. Dagegen hatten elf Brütereien geklagt und jetzt recht bekommen.

Das Schreddern und Vergasen der Tiere – allein in NRW sind es jährlich 2,6 Millionen Küken, bundesweit 50 Millionen – geht mit juristischer Deckung weiter. Männliche Küken der Legehennen-Linien werden aussortiert, weil sie weder Eier legen, noch als Masthähnchen taugen.

„Wir halten das Urteil für falsch, haben Berufung eingelegt und wollen ein Grundsatzurteil erzwingen“, sagte Remmels Sprecher Frank Seidlitz am Dienstag der taz. Zudem sei jetzt die Bundesregierung gefordert, endlich eine rechtliche Grundlage für ein Tötungsverbot zu schaffen.

Tierschutzbund fordert Ende der Massentötung

Das Gericht hatte erklärt, dass die Massentötung der Küken „seit Jahrzehnten im In- als auch im Ausland üblich“ sei und als „gerechtfertigt“ angesehen werde, weil es keine Alternativen dazu gebe. Lösungen wie die Geschlechtsbestimmung im Ei oder auch das Aufziehen der männlichen Tiere seien nicht praxistauglich.

Die Brütereien „stünden bei einem Tötungsverbot vor dem Aus“, hieß es. Per Güterabwägung hatte das Verwaltungsgericht die Berufsfreiheit der Brütereien höher bewertet als das Tierschutzgesetz, wonach kein Tier ohne vernünftigen Grund getötet werden darf.

Der Deutsche Tierschutzbund forderte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf, endlich „seine Hausaufgaben“ zu machen und mit konsequenter Gesetzgebung die Massentötung zu stoppen: „Es gibt keine Ausreden mehr!“

Die BUND-Landwirtschaftsexpertin Reinhild Benning erklärte, Tierqualen in diesem Ausmaß könnten nicht durch die Berufsfreiheit der Brütereien gedeckt werden.

10 Feb 2015

AUTOREN

Manfred Kriener

TAGS

Tierschutz
Urteil
Küken
Bündnis 90/Die Grünen
Kükenschreddern
Massentierhaltung
Küken
Ursula von der Leyen
Tierschutz
Landwirtschaft
Landwirtschaft
NRW
Grüne Woche
Bio
Landwirtschaft

ARTIKEL ZUM THEMA

Urteil zur Geflügelindustrie in NRW: Kükenschreddern weiter erlaubt

Männliche Küken können in NRW weiter nach dem Schlüpfen getötet werden. Ein Gericht entschied, dass die Praxis nicht tierschutzwidrig ist.

Massenhafte Tötung von Eintagsküken: Erste Anklage gegen Brüterei

Männliche Küken werden in der Massenzucht meist einen Tag nach ihrer Geburt geschreddert. In Münster steht nun eine Brüterei für diese Praxis vor Gericht.

Brütereichef über Kükentötungen: „Wir machen es nicht mehr“

Millionenfach werden bisher männliche Hühnerküken nach dem Schlüpfen getötet. Biobrüter in Österreich wollen nun einen Ausweg gefunden haben.

Die Wahrheit: Der Rohrkrepierer

Untauglich? Aber nur bedingt! Die Zukunft des rostfreien Bundeswehrgewehrs G 36 kann taktisch und strategisch gesichert werden.

Diskussion um Tierschutz in Dänemark: Ferkel totklatschen für mehr Profit

Ein dänisches Schweinezucht-Magazin empfiehlt, mehr neugeborene Ferkel sofort zu erschlagen. Experten bezweifeln, dass das rechtens ist.

CSU-Politiker Christian Schmidt: Das unsichtbare Kabinettsmitglied

Agrarminister Christian Schmidt fiel bisher kaum auf. Und die einzigen handfesten Projekte des CSU-Politikers werden heftig kritisiert.

Grünen-Fraktionschef über Agrarminister: „Er will irgendwie Minister bleiben“

Christian Schmidt hat nicht das Zeug zum Agrarminister, sagt Anton Hofreiter. In Sachen Hofsterben und Tierschutz erwartet der Grüne von ihm nicht viel.

Küken in NRW: Massentötung nicht verboten

Die NRW-Landesregierung darf die Massentötung männlicher Küken nicht per Erlass verbieten. Das hat das Verwaltungsgericht in Minden entscheiden.

Kolumne Wir retten die Welt: Die Anti-Agrarmolochsause

Auf der „Wir haben es satt“-Demo trifft sich eine riesige Protestbewegung. Warum ist dieses Durcheinander von Aktivisten eigentlich so erfolgreich?

Biolobbyist über Ökohennen: „Das Biorecht ändern“

Ohne Dach geht’s nicht, sagt Peter Röhrig vom Bioverband. Wenn Elterntiere von Ökolegehennen unter freiem Himmel herumlaufen, sei das Infektionsrisiko zu hoch.

Kommentar Bio-Legehennen: Bio muss noch besser werden

Die Missstände in der Tierhaltung zeigen, dass die Landwirtschaft wieder kleinteiliger werden muss. Auch in der Bio-Branche.