taz.de -- Kommentar Ukraine-Gipfel: Der Minsker Kompromiss

Von allen Seiten muss mit dem Scheitern des Minsker Kompromisses gerechnet werden. Aber man sollte trotzdem optimistisch bleiben.
Bild: Müde Journalisten warten in Minsk auf Ergebnisse.

Bei allen dreizehn Punkten des Minsker Kompromisses ist leider Skepsis angebracht. Das sehen offenbar die beteiligten Verhandlungspartner selbst so.

Merkel und Hollande strebten einen Waffenstillstand an. Erreicht haben sie einen Kompromiss, der wie der vom September 2014 wegen Ungenauigkeit und mangelnden Durchsetzungswillens scheitern kann.

Genügend Gegner hat der Kompromiss aber schon jetzt. Im Westen sind es jene, die die Aufrüstung der unterlegenen ukrainischen Streitkräfte befürworten, um der Übermacht im Osten standhalten zu können. Mit Feinden lasse sich nur bei glaubhafter Drohkulisse verhandeln. So sehen es die Republikaner in den USA, aber auch die führenden Kräfte im angrenzenden Polen und in den baltischen Staaten.

Auf russischer Seite hat die nationalistische Propaganda die Stimmung seit Langem aufgeheizt. Reguläre Soldaten und russische Freiwillige haben neben dem Kriegsgerät zur bisherigen (pro-)russischen Überlegenheit beigetragen. Jetzt kann Putin nicht so einfach einlenken. Sollte er sich wirklich an den ausverhandelten Kompromiss halten, müsste er seine Repressionsorgane auch gegen die eigene Basis einsetzen. Das aber wäre ungeschickt. Ein autoritärer Führer kann zwar Gegner drangsalieren, seine eigenen Leute dürfen ihn aber nicht als Verräter sehen.

Aber auch Poroschenko steht unter dem Druck nationaler Erwartungen. Er darf nicht weich wirken. Gerade weil er meist politisch rational agiert, wird sein Handeln im eigenen Land, in Teilen der EU und in den USA kritisch beäugt, nicht zuletzt auch von seinem Ministerpräsidenten Jazenjuk.

Von allen Seiten muss also mit dem Scheitern des Minsker Kompromisses gerechnet werden. Dann aber wird die Aufrüstung sowohl der ukrainischen als auch der russischen Streitkräfte nicht mehr aufzuhalten sein. Eine weitere Eskalation wäre absehbar.

Unter dem Strich ist ein Scheitern wahrscheinlicher als ein Erfolg. Aber man sollte trotzdem unbedingt optimistisch bleiben.

13 Feb 2015

AUTOREN

Stölting

TAGS

Francois Hollande
Schwerpunkt Angela Merkel
Friedensverhandlungen
Minsk
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Waffenstillstand
Moskau
Waffenruhe
USA
Streitfrage
Russland
Ostukraine
Krise
Wladimir Putin
Russland
Russland

ARTIKEL ZUM THEMA

Kein Frieden in der Ostukraine: Zerschossene Hoffnungen

Wie brüchig der Waffenstillstand von Minsk ist, zeigt sich bei einer Fahrt nach Debalzewe. Hier könnte der Friedensprozess bald scheitern.

Kommentar Waffenstillstand Ukraine: Fragiles Abkommen

Seit Sonntag wird in der Ostukraine weniger geschossen. Doch es braucht jetzt auch eine Abrüstung der Sprache. Sonst wird das Töten weitergehen.

Konflikt in Ostukraine: Feuerpause, aber kein Frieden

Es ruhig geworden im Osten der Ukraine. Die Menschen trauen sich wieder auf die Straße. Doch die Waffenruhe ist brüchig.

Vor der Waffenruhe in der Ukraine: Das Sterben geht weiter

Im Osten kommt es zu schweren Kämpfen. Die USA werfen Russland vor, Waffen an die Separatisten liefern zu wollen. Moskau wiederum bringt die UN ins Spiel.

Die Streitfrage: „Es muss Hoffnung geben“

Am Sonntag sollen in der Ukraine die Kämpfe aufhören – so wurde es in Minsk vereinbart. Aber ist damit die Gefahr eines Krieges gebannt?

Debatte Minsk-Abkommen: Alles ist offen

Die zweite Vereinbarung von Minsk ist ein positives Zeichen, doch zu wolkig, um den Krieg zu beenden. Flankierende Maßnahmen sind nötig.

Nach dem Ukraine-Gipfel: Ruhe ohne Frieden

Seit dem Bekanntwerden des Minsker Abkommens ist in Teilen der umkämpften Region Ruhe eingekehrt. Doch die Menschen sind skeptisch.

Friedensabkommen für die Ostukraine: Die durchwachte Nacht von Minsk

16 Stunden lang verhandelten Merkel und Hollande mit Putin und Poroschenko. Ob die Vereinbarung mehr als ihr Papier wert ist, wird sich zeigen.

Norbert Röttgen über Minsk II: „Putin hat keine Vision für sein Land“

Der Westen läuft den Krisen hinterher. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages wünscht sich eine vorausschauendere Politik.

Ukraine-Gipfel: Minsk-II-Abkommen vereinbart

Nach langen Verhandlungen ist in Minsk eine Einigung erzielt worden. Beschlossen wurde unter anderem eine baldige Waffenruhe in der Ostukraine.

Konflikt in der Ukraine: Die Waffen ruhen nicht

Vor dem geplanten Friedensgipfel ist es im Osten des Landes zu heftigen Gefechten gekommen. Das Hauptziel der Verhandlungen ist ein Waffenstillstand.