taz.de -- Flüchtlingshilfe in Österreich: Therapeutin mit Zivilcourage
Telefonketten mit der Pfarrgemeinde: Die konservative Bürgermeisterin eines kleinen Ortes in Vorarlberg steht aktiv für Flüchtlinge ein.
WIEN taz | „Es gärt im Land, es rumort in den Gemeinden!“, schreibt Angelika Schwarzmann in einem offenen Brief, der sich auch an den österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer und die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner richtet.
„Durch unsere Aktivitäten mit Asylwerbern haben wir Einblick in die Unzulänglichkeiten des europäischen Asylsystems (Dublinabkommen) bekommen“, fährt das von Gemeinde und Pfarrei gemeinsam verfasste Schreiben fort: „Wir sind nicht mehr gewillt, uns gleichgültig den ’Achselzuckern‘ anzuschließen. Wir an der Basis scheinen in puncto Asylpolitik weiter zu sein, als die mutlose und – in diesem Falle – unehrliche ’hohe‘ Politik.“
Schwarzmann ist Bürgermeisterin der Vorarlberger Gemeinde Alberschwende und gehört wie die Innenministerin der konservativen ÖVP an. Aber mit deren Umgang mit politischen Flüchtlingen kann sie sich nicht anfreunden. Vergangenen Montag setzte sie eine Telefonkette in Gang und alarmierte rund 150 Gleichgesinnte, als die Polizei die Flüchtlingsunterkunft im 3.000-Seelen-Dorf im Bregenzerwald umstellte. Einer der dort untergebrachten Syrer sollte nach Ungarn abgeschoben werden.
So will es die Dublin-II-Regel der EU. Allerdings werden Asylsuchende in Ungarn glaubhaften Berichten zufolge misshandelt und eingesperrt. Deutsche Gerichte haben deshalb Abschiebungen nach Ungarn untersagt.
„Bei uns im Dorf wird dieses sinnlose und erneute Herausreißen von Schutzbedürftigen aus dem sozialen Kontext als Unrecht, als Anschlag auf die Menschlichkeit, als Angriff auf unsere Bemühungen empfunden“, sagt Schwarzmann, die sich mit dieser Haltung nicht allein weiß. Während sich in anderen Gemeinden Bürgermeister gegen die Unterbringung von Flüchtlingen wehren, weil sie den Zorn der Bevölkerung fürchten, hat sich die Musiktherapeutin an die Spitze der lokalen Initiative „Wir sind Asyl“ gestellt.
Die 55-jährige Mutter von vier erwachsenen Kindern hat lange als Assistentin in der tierärztlichen Praxis ihres Mannes gearbeitet und saß schon im Gemeinderat. Vor zwei Jahren folgte sie dem zurückgetretenen Bürgermeister Reinhard Dür nach. Ihr Engagement im an einer stark befahrenen Durchzugsstraße liegenden Alberschwende galt zunächst der Verkehrsregulierung. Sie kennt die Gesetze und weiß daher, dass die Behörden auch Spielraum haben: „Es gibt ein Recht zur Abschiebung, aber keine Pflicht“.
14 May 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Österreichs Umgang mit Flüchtlingen setzt häufig auf Abschreckung. Nun schlägt die Innenministerin einen „befristeten Schutz“ statt Asyl vor.
Mit der Angst vor Fremden werden in Österreich ganz neue Bündnisse gezimmert. Das Innenministerium will Härte demonstrieren.
Bei den Wahlen in der Steiermark und im Burgenland werden die großen Parteien kräftig abgestraft. Die rechte FPÖ hingegen legt stark zu.
Ein reiches Ehepaar kauft ein Schiff, baut es um und zieht auf eigene Kosten Flüchtlinge aus dem Meer. In einem Monat sind es über 3.000.
Antragsteller aus Südosteuropa sollen bis zu ihrer Abschiebung in Einrichtungen der Länder bleiben. So will der Bund die Kommunen entlasten.
CDU-Landeschef Heintze will der Hamburger Union einen harten Abschiebekurs in der Flüchtlingspolitik verordnen. Das schreckt sogar die AfD auf.
Die Grünen wollen einen neuen Untersuchungsausschuss. Fraktionschefin Ramona Pop erhofft sich Aufklärung - und eine andere Kultur in der Ausländerbehörde.
Militärischer Einsatz gegen Schlepper: Bei einem Auftritt in Berlin wird Frontex-Chef Rösler von Protestierenden empfangen – und attackiert.
Kita-Besuch ist für Flüchtlingskinder wichtig, weil sie sich in den Unterkünften nicht erholen können, sagt Fachhochschul-Dozentin Elke Alsago.