taz.de -- Studie über Aufforstung: Bäume sind kein Allheilmittel

Den Flug nach Mallorca kompensieren viele mit einer Spende an Aufforstungsprojekte. Wir sollten Wälder nicht nur als Kohlenstoffspeicher betrachten.
Bild: Eukalyptusplantage in Brasilien

Wer nach dem letzten Langstreckenflug das schlechte Gewissen reinwaschen will, kauft CO2-Ausgleichszertifikate für Aufforstung. Weltweit sprießt ein Wiederaufforstungsprojekt nach dem anderen aus dem Boden. Die natürlichen CO2-Speicher der Wälder gehören zu den wichtigsten Verbündeten, um die Klimakrise abzuschwächen. Auch im globalen CO2-Zertifikatehandel spielen sie eine große Rolle.

Allerdings: Bäume nur im Lichte des Klimanutzens zu sehen, greift zu kurz. Simon Lewis, Professor für Global Change Science am University College London, sagte, es sei gefährlich, Bäume als „nichts weiter als Kohlenstoffstämme“ zu behandeln. Schließlich haben sie noch [1][viele andere Funktionen].

Die Studie

Ein Team des [2][Environmental Change Institute] der Universität Oxford unternimmt den Versuch, ganzheitlich auf Wälder zu blicken. Dafür analysieren die Forscher*innen einerseits die Kohlenstoffvorräte in Bäumen und Pflanzen von Tropenwäldern, Savannen und Plantagen. Dabei vergleichen sie ursprüngliche Landschaften und solche, die von Menschen verändert wurden. Zusätzlich zum Klimanutzen schätzen die Wissenschaftler*innen auch andere Funktionen für das Ökosystem ein, etwa wie viel biologische Vielfalt die Gebiete hervorbringen.

Tropische Gebiete werden gerne als Standort für Aufforstung gewählt, da sie durch ihre klimatischen Bedingungen ein schnelles Pflanzenwachstum begünstigen. Das verspricht mehr Kohlenstoffspeicherung in kürzerer Zeit. Die Forschenden bestätigen dieses Potenzial. Gleichzeitig sei aber auch in diesen Gebieten die Aufforstung eine Gefahr für das Ökosystem.

In der [3][Untersuchung] erklären sie, dass es besonders problematisch ist, wenn in Monokulturen aufgeforstet wird. Die zunehmend beliebten und wirtschaftlich ertragreichen Kiefern-, Eukalyptus- und Teakholzplantagen brächten unbeabsichtigte Folgen mit sich. Einheimische Ökosysteme würden austrocknen, die Böden versauern, Pflanzen verdrängt und Waldbrände beschleunigt.

In der brasilianischen Savanne Cerrado beispielsweise führte ein Anstieg der Waldfläche um 40 Prozent zu einem Rückgang der Pflanzen- und Ameisenvielfalt um etwa 30 Prozent. Ein weiteres Beispiel sind die Megabrände in Chile, wo Monokulturplantagen die Ausbreitung intensiver Kronenbrände fördern, die dann auch die einheimischen Wälder bedrohen.

Was bringt’s

Laut den Forschenden wird bei Aufforstungsprojekten meist davon ausgegangen, dass so viele neu gepflanzte Bäume wie möglich auch der biologischen Vielfalt zugutekommen. Aber das stimmt nicht. Das müssen Politiker*innen für die Rahmenbedingungen beachten, die sie für Aufforstung setzen, ebenso beim Schutz bestehender Ökosysteme. Wald- oder Grasflächen, [4][die intakt gehalten werden], bringen mehr als dieselbe Fläche neuer Plantagen.

29 Oct 2023

LINKS

[1] /Biodiversitaet/!t5010056
[2] https://www.eci.ox.ac.uk/
[3] https://www.cell.com/trends/ecology-evolution/fulltext/S0169-5347(23)00223-9?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0169534723002239%3Fshowall%3Dtrue
[4] /Waldsterben-in-Deutschland/!5953836

AUTOREN

Melina Möhring

TAGS

Zukunft
wochentaz
Aufforstung
Waldschäden
CO2-Zertifikate
klimataz
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Stadtgespräch
Zukunft
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Stadtland
Zukunft

ARTIKEL ZUM THEMA

Aufforstung in afrikanischen Ländern: Zu viele Bäume in Savannengebieten

Grasland bietet vielen Arten Lebensraum. Vor allem in Ländern in Afrika wird dort großräumig Wald gepflanzt. Einige Forscher sehen das kritisch.

Brände in Kolumbiens Hauptstadt: Gestank und brennende Augen

An der Bergkette im Osten von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá lodern die Flammen. Zum beißenden Rauch kommt eine Hitzewelle aus Klimawandel und El Niño.

Verlässlichkeit von Studien: Wann wir Zahlen vertrauen

Wissenschaftliche Ergebnisse sind nie exakt. Doch wie transparent sollen Forscher*innen in ihren Studien mit Unsicherheiten umgehen?

Zellstofffabrik in Finnland blockiert: Die Zukunft ist zerhäckselt

Aktivist:innen haben einen holzverarbeitenden Betrieb blockiert. Sie sorgen sich um die einst üppigen Wälder, die dem Klima kaum noch helfen.

Baumpfleger über Arbeit mit der Säge: „Vertrauen Sie dem Baum“

Ludwig Klein arbeitet in Berlin als Baumpfleger. Wenn er dabei sägen muss, macht er das nicht zum Vorteil der Bäume, sondern der Menschen.

Waldsterben in Deutschland: Kranke Bäume retten

Unseren Wäldern geht es schlecht. Dabei brauchen wir sie im Kampf gegen den Klimawandel mehr denn je. Sechs Dinge, die wir jetzt tun können.