taz.de -- Regulierung Künstlicher Intelligenz: Weltweit erstes KI-Gesetz

Je riskanter die künstliche Intelligenz, desto mehr Auflagen – darauf konnte sich das EU-Parlament einigen. Doch einige Punkte bleiben strittig.
Bild: Abstimmung über das weltweit erste KI-Gesetz im Europäischen Parlament am Mittwoch

Brüssel taz | Roberta Metsola, die Präsidentin des Europaparlaments, ließ ihrer Freude nach dem Votum zum „AI Act“, dem EU-Gesetz zur künstlichen Intelligenz (KI), freien Lauf. Daumen hoch und Händedruck mit dem zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton – so feierte Metsola das Ergebnis am Mittwoch in Straßburg.

Das weltweit erste KI-Gesetz wurde mit einer großen Mehrheit angenommen. Es soll den Weg für eine risikobasierte Regulierung ebnen, sagte Dragoş Tudorache von der liberalen Renew-Europe-Fraktion: Je mehr Risiko eine jeweilige KI-Anwendung birgt, desto größer der Umfang der gesetzlichen Auflagen, die für sie gelten. Nun beginnen die Gesetzesverhandlungen mit den 27 EU-Staaten und der Kommission.

Dabei könnten wichtige Bestimmungen noch aufgeweicht werden, [1][vor allem zur Massenüberwachung und automatischen Gesichtserkennung]. Für Letztere wurde ein weitgehendes Verbot beschlossen, die konservative EVP-Fraktion wollte jedoch bis zuletzt Ausnahmen durchsetzen. Biometrische Gesichtserkennung soll jetzt nur nach einer richterlichen Entscheidung erlaubt sein. Eine Auswertung biometrischer Daten nach Geschlecht oder Hautfarbe bleibt verboten.

Man werde darauf achten, dass KI nicht für Desinformation oder die Manipulation von Wahlen genutzt werde, sagte Metsola. Bis 2024 soll der endgültige Gesetzestext stehen. Der Entwurf der EU-Kommission konzentriert sich auf die Produktsicherheit und den Datenschutz. Systemische Risiken oder militärische Anwendungen waren kein Thema. Der Digitalverband Bitkom begrüßte das Gesetz grundsätzlich. Verbandschef Achim Berg warnte jedoch vor einer „Überregulierung“: Es dürften nicht zu viele Anwendungen als hochriskant eingestuft werden.

Andere Länder sollen nachziehen

Neue Entwicklungen wie [2][der Vormarsch von ChatGPT und anderen „generativen“ Sprachsystemen] stellten die EU vor Herausforderungen. Außerdem gilt als schwierig, dass die mächtigsten KI-Systeme bisher in den USA und China entwickelt werden. Gerade deshalb müsse man alles daransetzen, die KI nach europäischen Werten zu regulieren, heißt es in Brüssel.

Die EU setzt auf den „Brussels effect“: Andere Länder könnten sich an den neuen Regeln orientieren. Diesmal ist es allerdings ein Rennen gegen die Zeit. [3][Der AI Act dürfte erst in zwei Jahren umgesetzt werden] – so lange haben die Unternehmen Zeit, sich an die neuen Regeln anzupassen. Um diese Lücke zu überbrücken, will die EU große Technologiekonzerne zu einer freiwilligen Selbstkontrolle verpflichten.

15 Jun 2023

LINKS

[1] /Debatte-im-EU-Parlament/!5940600
[2] /Auswirkungen-Kuenstlicher-Intelligenz/!5934661
[3] /EU-Parlament-zur-kuenstlichen-Intelligenz/!5937487

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Gesetz
Europäisches Parlament
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
wochentaz
Saskia Esken
Mensch-Maschine-Beziehung
Faschismus
Technologie
Schwerpunkt Überwachung
EU-Parlament

ARTIKEL ZUM THEMA

Kinder fragen, die taz antwortet: Warum schützt uns das Gesetz nicht?

Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Samuel, 8 Jahre alt.

SPD-Chefin Esken über Desinformation: „Brauchen schlagkräftige Behörden“

SPD-Chefin Saskia Esken fordert mehr Personal im Kampf gegen Fake News, Hassrede im Netz und Desinformation. Doch auch da gebe es einen Fachkräftemangel.

Künstliche Intelligenz: Keine Panik vor KI

Die Angst vor einer vorgeblichen Superintelligenz ist Unsinn – und verhindert eine Debatte über Gefahren wie die Interessen von Google oder Amazon.

Faschismus durch künstliche Intelligenz: Gesellschaft als Maschine

KI wird zu weniger Arbeitsplätzen führen. Daran müssen wir uns gewöhnen. Aber eine von Maschinen beherrschte Welt wäre entmenschlicht und gefährlich.

Macht der künstlichen Intelligenz: Wer profitiert

Die Machtfrage wird bei KI zu verengt gestellt. Es geht nicht nur um den technologischen, sondern auch um den ökonomischen Aspekt.

Debatte im EU-Parlament: Streit um Überwachung mit KI

Kurz vor der Abstimmung über die Regeln für Künstliche Intelligenz gibt es Streit im EU-Parlament. Es geht um die Frage der Massenüberwachung.

EU-Parlament zur künstlichen Intelligenz: Der KI Grenzen setzen

Am Mittwoch möchte das EU-Parlament über die weltweit bislang umfassendste Regulierung von KI abstimmen. Expert:innen fordern schon Nachbesserungen.