taz.de -- Neue CDU-Gruppe „Compass Mitte“: „Wir versuchen, eine Bewegung zu werden“

Die Gewerkschafterin Monica Wüllner (CDU) ist eine der Gründerinnen von „Compass Mitte“. Die Gruppe fürchtet eine Annäherung ihrer Partei an die AfD.
Bild: „Wir wehren uns gegen Versuche, die Union auf das Konservative, Bürgerliche und Neoliberale zu verengen und das Christliche zu verdrängen.“ AfD-Wahlplakat vor der CDU-Parteizentrale

„Compass Mitte“ ist eine Plattform von liberalen Christdemokraten, die am Dienstag gegründet wurde. „Wir behandeln die AfD mit zivilisierter Verachtung, bekämpfen sie politisch und stehen zum Beschluss des CDU-Bundesparteitags, der jegliche politische Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt“, heißt es in dem Gründungsaufruf, der von 30 CDU-Mitgliedern unterschrieben wurde. Die Plattform fordert die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD und eine stärkere Betonung des Sozialen. Unterstützt wird die Initiative von Kommunalpolitikern und Vertretern der CDA, des Arbeitnehmerflügels der CDU, dem Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter und dem früheren CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. Monica Wüllner (55) ist Mitglied im CDU-Bundesvorstand und stellvertretende CDA-Bundesvorsitzende. Sie arbeitet als Gewerkschaftssekretärin für die IG Metall in Stuttgart.

taz: Frau Wüllner, die von Ihnen mitinitiierte Gruppe „Compass Mitte“ will den Kurs der CDU korrigieren. Misstrauen Sie Friedrich Merz?

Monica Wüllner: Nein. „Compass Mitte“ ist keine Misstrauenserklärung gegen Friedrich Merz. Wir wehren uns aber gegen Versuche, die Union auf das Konservative, Bürgerliche und Neoliberale zu verengen und das Christliche zu verdrängen. Das kam zum Beispiel von Andreas Rödder, der auch den Kurs der Union gegenüber der AfD ändern will.

taz: Rödder ist schon vor zwei Jahren als Chef der CDU-Grundwertekommission zurückgetreten …

Wüllner: Die Debatte geht aber weiter. [1][Peter Tauber hat einen Strategiewechsel gefordert], wobei unklar blieb, was er eigentlich will. Es gibt die Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig, die für eine Öffnung gegenüber der AfD wirbt.

taz: Sehen Sie die ernsthafte Gefahr, dass die CDU die Linie „keine Zusammenarbeit mit der AfD“ verlässt?

Wüllner: Wir haben diese Befürchtung.

taz: Wie groß ist der Resonanzraum von Tauber und Rödder in der CDU?

Wüllner: Das ist schwer zu schätzen. Aber es gibt einen ernst zu nehmenden Prozentsatz in der CDU, der da mitgehen könnte. Viele sagen: Es gibt eine rechte Mehrheit in diesem Land, aber wir werden links regiert.

taz: … wie Jens Spahn …

Wüllner: Es existiert in der Union in dieser Frage eine gewisse Spaltung. Wir wehren uns massiv gegen diese Lesart. Wir haben nichts mit der AfD gemeinsam. Und wir sollten aufhören, nach rechts zu blinken. Die These von der Mehrheit rechts der Mitte stimmt so nicht. Wir werden aus der Mitte heraus regiert und dafür gibt es auch politische Mehrheiten.

taz: Sie fordern, jede Art von Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen, auch auf kommunaler Ebene. Ist das realistisch?

Wüllner: Ja, es darf keine Anträge geben, die nur mit der AfD eine Mehrheit bekommen, egal in welchem Parlament.

taz: Die Union fährt mit Alexander Dobrindt einen scharfen Kurs in der Migrationspolitik. Kanzler Merz hat die Stadtbild-Debatte angezettelt. Ist die Union auf einem grundlegend falschen Kurs?

Wüllner: Nein, der Kurs ist nicht grundsätzlich falsch. Es ist richtig, Migration zu ordnen und Missbrauch beim Asylrecht auszuschließen. Aber uns stört das Menschenbild, das die Union transportiert. Es geht nur um Zahlen, nicht um die einzelnen Menschen und die Gründe, warum sie geflüchtet sind. Wenn Schulkinder nachts aus dem Bett geholt und abgeschoben werden, dann läuft etwas schief. Warum schieben wir gut integrierte Flüchtlinge ab – und beklagen uns gleichzeitig über Fachkräftemangel? Die Wortwahl in der Migrationspolitik ist manchmal gruselig. Und passt nicht zu einer christlichen Partei.

taz: Wie groß ist der Einfluss von „Compass Mitte“ auf die CDU?

Wüllner: Das wissen wir nicht. Wir wissen, dass es nicht mehr reicht, sich in kleinen Kreisen aufzuregen. Deshalb versuchen wir, eine Bewegung zu werden. Ob das gelingt, da bin ich auch neugierig.

taz: Sie haben nur Unterstützer im Westen.

Wüllner: Im Moment ja. Wir arbeiten daran. Wir haben uns ja gerade erst gegründet.

29 Oct 2025

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Stefan Reinecke

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