taz.de -- Nach dem Fall der Brandmauer: Wut und Verzweiflung vor dem Konrad-Adenauer-Haus

Unmittelbar, nachdem die Brandmauer im Bundestag fällt, wurde am Mittwoch vor der CDU-Parteizentrale protestiert. Die Menschen waren fassungslos.
Bild: Demos gegen rechts: Nun auch gegen die CDU

Berlin taz | „Nie wieder ist jetzt“ ist in der Fensterscheibe im Konrad-Adenauer-Haus auf einem Plakat geschrieben – nicht groß, trotzdem mutet es angesichts der jüngsten politischen Entscheidungen absurd an. Absperrzäune, die rund um die Zentrale errichtet wurden, und das riesige Banner mit dem Gesicht von Friedrich Merz, das am Gebäude angebracht wurde, verdecken den Einblick in den Glaskasten. Polizeihunde, die die CDU-Parteizentrale offenbar beschützen sollen, bellen.

Fassungslos und wütend schauen Hunderte von Demoteilnehmer:innen am Mittwochabend nach oben in das Gesicht des Friedrich Merz. Sie rufen: „Ganz Berlin hasst die CDU!“ und „Schämt euch! Schämt euch!“. Die Kundgebung „Brandmauer statt Brandstifter, Asylrecht verteidigen“ wurde bereits am Tag zuvor von verschiedenen Bündnissen wie der Seebrücke, Amnesty International, Pro Asyl und Widersetzen geplant.

Sie beginnt um 18 Uhr, wenige Minuten, [1][nachdem die Brandmauer tatsächlich gefallen ist]: mit 348 Ja-Stimmen, 345 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen. Bei 703 abgegebenen Stimmen stimmten CDU, FDP und AfD dem Fünf-Punkte-Plan der CDU/CSU zu, der eine drastische Verschärfung der Asylpolitik vorsieht. Dank der Enthaltung der BSW-Abgeordneten haben die Stimmen gereicht: Der Antrag wurde vom Bundestag angenommen.

„Wenn deutsche Politiker verhandeln, ob Menschenrechte nur für bestimmte Menschen gelten, dann stellen wir uns dem entgegen“, sagt eine der Rednerinnen von Studis gegen Rechts. Indem Friedrich Merz ganze Gruppen für die Taten Einzelner verantwortlich mache, verschiebe er die Norm, heißt es weiter. „Herr Merz, legen Sie das Feuerzeug weg, seien Sie kein Brandstifter!“, ist von verschiedenen Redner:innen immer wieder zu hören. Menschen unterschiedlichster Altersgruppen sind an diesem Abend gekommen. Auf ihren Schildern und Bannern steht: „Christlich-demokratisch sozial? …Das war einmal“ und „Es ist Zeit: AfD-Verbot jetzt, CDU-Verbot wann?“.

AfD-Verbot gefordert

Gunda, 19 Jahre alt, hatte sich schon auf den Weg zur Demo gemacht, bevor die Entscheidung über den Asylantrag der CDU gefallen war. „Ich bin fucking frustriert und angepisst, kann kaum glauben, dass es durchgegangen ist“, sagt sie. Sie arbeitet in einer Geflüchtetenunterkunft und macht sich große Sorgen über die Folgen des Antrags: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie beängstigend das für Menschen sein muss, die davon betroffen sind“, sagt sie.

Claudia, 31, betont, wie verletzt sie von den politischen Narrativen ist, die Migrant:innen immer wieder als etwas Böses darstellen. „Ich bin selber Migrantin, wohne schon lange in Deutschland“, sagt sie der taz. „Ich wünsche mir, dass mehr Menschen auf die Straße gehen. Es geht um internationales Asylrecht, und das kann man nicht einfach so verletzen“, sagt sie.

Die Veranstalter:innen sprechen von über 2.000 Menschen, die gekommen sind, die Polizei zählt bis zu 1.200 Teilnehmende. Der Zustrom ist so groß, dass es auf dem eingegitterten Kundgebungsbereich am Lützowplatz beim Herkulesufer schnell eng wird. Die Demonstrierenden nehmen sich die Straße, die Polizei fordert die Menge wiederholt auf, die Kreuzung freizumachen. Zur Konfrontation kommt es aber nicht. Die Polizei lässt die Demonstrierenden schließlich gewähren.

Nach zwei Stunden machen sich die Menschen auf den Weg nach Hause. Heute um 18 Uhr wollen sie wieder vor das Adenauer-Haus kommen. „Man muss jetzt nach konkreten antifaschistischen Schritten suchen“, heißt es zum Abschluss von der Bühne: [2][Der AfD-Verbotsantrag] am Donnerstag sei ein solcher Schritt. Alle Akteure der Gesellschaft, Verbände und Gewerkschaften seien dazu aufgerufen, sich zu positionieren.

„Die Welt ist viel zu schön, um heute Nacht unterzugehen“, hallt Ali Neumanns Melodie im Ohr nach. Die Künstlerin entschied spontan, auf der Kundgebung aufzutreten. „Wir müssen dafür kämpfen, für die schöne Welt. Wer sonst tut es?“

30 Jan 2025

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AUTOREN

Johanna Weinz

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