taz.de -- Fotografien über queere Fluchterfahrung: Brutale Zärtlichkeit
Ashkan Shabani ist ein queerer Fotograf aus dem Iran. In seiner Arbeit clasht Verletzlichkeit mit Gewalt, politischen Bildern, einer wütenden Dynamik.
Die Autorin und Kulturkritikerin [1][Susan Sontag] schrieb in ihrer Essaysammlung „On Photography“ von 1977: „Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblichkeit, Verletzlichkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen oder Dinge. Eben dadurch, dass sie diesen Moment herausgreifen und erstarren lassen, bezeugen alle Fotografien das unerbittliche Verfließen der Zeit.“
Das Gefühl, dass Fotografie als eine Art Memento mori funktionieren kann, weckt auch die Arbeit von [2][Ashkan Shabani]. Der queere Fotograf und Fotojournalist kommt ursprünglich aus dem Iran – LGBTQ+-Personen droht in der Islamischen Republik nicht nur schwerste Diskriminierung, sondern auch Freiheits- oder in manchen Fällen die Todesstrafe.
Shabani, der selbst von seiner Familie verstoßen und im Iran zum Tode verurteilt wurde, flüchtete von dort zunächst in die Türkei und dann nach Deutschland. Seine Fotoreihe „Queer, Life, Freedom“ dokumentiert seine verschiedenen Stationen.
Ein hingebungsvoller Kuss, hängende Menschen
Shabanis Arbeit liegt eine tiefe Zärtlichkeit zugrunde. Oft haben die Fotografien etwas Flüchtiges und beweisen so Sontags Gedanken: Shabani fängt einen volatilen Moment ein und macht ihn unsterblich. Auf den Fotografien clasht diese Zärtlichkeit mit Gewalt, mit politischen Bildern, mit einer wütenden Dynamik.
Sanfte Berührungen, blutige Entenköpfe, ekstatischer Tanz, Bettwäsche im Morgenlicht, in rotes Licht getauchte Demonstrierende, ein hingebungsvoller Kuss, Silhouetten erhängter Menschen. Es sind Fotos, die die Brutalität, die Flucht hervorbringt, ebenso darstellen wie Momente der Nähe und der Verletzlichkeit.
Auf der obigen Fotografie ist ein Koffer zu sehen, der dem Fotografen selbst gehörte. Darin befand sich sein gesamter Besitz, als er nach Deutschland kam, um hier Asyl zu beantragen. Die Straße, auf der der Koffer steht, führt zu einer Flüchtlingsunterkunft am Rande von Bramsche, einer niedersächsischen Kleinstadt.
Der Titel der Fotoreihe ist angelehnt an die iranische [3][„Women, Life, Freedom“-Bewegung,] die ähnliche Ziele hat wie sie queere Menschen haben: nämlich schlicht gleichberechtigt und frei im Iran existieren zu dürfen.
20 Dec 2025
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