taz.de -- Komponist Lô Borges ist gestorben: Nur scheinbar harmlose „Tralala“-Singerei
Der brasilianische Komponist Lô Borges ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Mit seinen stilbildenden Songs übte er auch Kritik an der Militärdiktatur.
Sein erstes Bezugssystem war das Schachbrettmuster der Stadtviertel in seiner Heimatstadt Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais. Im Viertel Santa Tereza versammelte sich Salomão Borges Filho, genannt Lô, Mitte der 1960er an der Kreuzung Divinopolis/Paraisopolis, um zunächst mit Freunden über die Beatles, Jazz und deren Einfluss auf die Música popular brasileira (Mpb) zu debattieren. Das Palavern an der Straßenecke wurde 1970 auf dem Lifehack-Album „Clube da Esquina“ (Cornerclub) verewigt.
„Clube da Esquina“ gilt heute als Meisterwerk der brasilianischen Popmusik. Ende der 1960er Jahre war Borges dafür von dem (auch aus Minas Gerais stammenden) [1][Milton Nascimento] nach Rio gelockt worden. Er hatte den 18-jährigen Gitarristen in Santa Tereza entdeckt und war von dessen Fingerfertigkeit und kompositorischem Genie überzeugt.
Das Album „Clube da Esquina“ enthält stilbildende Songs und Streicherarrangements von Weltformat und übte durch scheinbar harmlose „Tralala“-Singerei zudem subtile Kritik an der Zensur der Militärjunta. Lange Instrumentalpassagen wirken wie Landschaftsgemälde: tief kontrastiert, entspannt und druckvoll zugleich. [2][US-Autor John Krich] schreibt in seinem Buch „Orpheus’ Kinder“ von „übernatürlichen Klängen“, die aus der Musik von Minas Gerais sprechen.
Borges wurde in den frühen 1970ern vor allem als Songwriter für Stars verpflichtet. Neben Nascimento tauchen seine Kompositionen bei [3][Tom Jobim] und Elis Regina auf. Die Solokarriere begann mühselig. Dem Debütalbum „Disco de Tênis“ (1972) folgte erst 1978 der Nachfolger „A Via-Láctea“. Im gleichen Jahr erschien „Clube da Esquina II“, ein Soloalbum. Erst in den Nullerjahren wurde Borges für sein solistisches Werk vollständig anerkannt. Wie nun bekannt wurde, starb der 75-Jährige am 2. November an den Folgen einer Arzneimittelvergiftung.
4 Nov 2025
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