taz.de -- Kürzungen bei Drogenhilfe in Berlin: Metall statt Menschen

Viele Angebote zur Drogenhilfe sind kaum angelaufen, da will der Senat sie schon wieder einstellen. An den Plänen für den Görli-Zaun halten CDU und SPD dagegen fest.
Bild: Symbol für die verfehlte Sozialpolitik des Senats: der Görlitzer Park in Kreuzberg

Berlin taz | Sie konsumieren Drogen, sind zum Teil wohnungs- und obdachlos – und oft minderjährig: Rund 50 suchtkranke Jugendliche und junge Erwachsene erreichen die zwei Streetworker*innen von Gangway jeden Monat mit ihrer Arbeit am [1][Kottbusser Tor] in Kreuzberg. Das Projekt besteht erst seit April und wird mit Geldern aus dem sogenannten Sicherheitspaket finanziert, [2][das der Senat 2023 beschlossen hatte].

Doch wenn es nach CDU und SPD geht, ist damit bald Schluss. Im Haushaltsentwurf für die kommenden beiden Jahre sind keine Mittel mehr für die sozialen und gesundheitspolitischen Maßnahmen des Sicherheitspakets vorgesehen. Geld soll es dann [3][nur noch für den Zaun um den Görlitzer Park und für Videoüberwachung geben].

Nach nur acht Monaten könnte die Arbeit der Sozialarbeiter*innen von Gangway am Kotti also bald abrupt enden. Für Hanna Lauter, die bei dem Träger die Projekte in Friedrichshain-Kreuzberg koordiniert, ist das völlig unverständlich. „Beziehungsarbeit bildet unsere Arbeitsgrundlage. Die fällt weg, wenn Projekte nicht verstetigt werden“, betont Lauter am Mittwoch. Die Zielgruppe am Kotti sei sehr vulnerabel, es gebe große Verelendung: „Das sind überlebenswichtige Hilfen.“

Erfolgreiche Projekte vor dem Aus

Rund 30 Millionen Euro hatte das Land über zwei Jahre zur Verfügung gestellt, um den Problemen mit Drogenkonsum, Verwahrlosung und Kriminalität an verschiedenen Orten in Berlin beizukommen. Neben dem Projekt von Gangway stehen viele weitere erfolgreiche Angebote vor dem Aus: etwa [4][das „Peer-Projekt“ der Drogenhilfe Fixpunkt], bei dem Menschen aus der Drogenszene gemeinsam mit Sozialarbeiter*innen Konsummaterialien einsammeln.

„Der Senat hat beschlossen, den öffentlichen Raum aufzugeben, das zeigt der Haushalt eindeutig“, kritisiert [5][Clara Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg]. Sicherheit entstehe nicht durch repressive Maßnahmen wie Zäune oder Videokameras, sondern durch soziale Gerechtigkeit und mehr Teilhabe. „Das Parlament muss dringend andere Prioritäten setzen“, fordert Herrmann mit Blick auf die anstehende Haushaltsdebatte im Abgeordnetenhaus.

Konkret wolle sie Angebote für Wohnungslose und für Suchtkranke stärker miteinander verbinden. Nur so lasse sich das Thema Konsum in der Öffentlichkeit effektiv angehen.

Raphael Schubert von Fixpunkt unterstützt das. „Menschen, die im öffentlichen Raum konsumieren, machen das ja nicht gerne“, betont er. Neben Konsumräumen biete der Träger seit Kurzem auch Tagesschlafplätze in unmittelbarer Nähe zum Görlitzer Park an. Die seien auch mit Blick auf den nahenden Winter essenziell. „Das sind Maßnahmen, die nicht nur den suchtkranken Menschen zugutekommen, sondern auch [6][den Anwohner*innen im Bezirk]“, erklärt Schubert.

Den Kiezhausmeistern gekündigt

Neben den Geldern aus dem Sicherheitspaket will der Senat auch weitere Mittel für Projekte im öffentlichen Raum streichen. Etwa soll der Topf „Saubere Stadt“ bei der Senatsumweltverwaltung um rund die Hälfte gekürzt werden. Damit dürften [7][die Kiezhausmeister] in Friedrichshain-Kreuzberg und die [8][Parkläufer] in der ganzen Stadt bald Geschichte sein. Zum Teil sei den Mitarbeiter*innen bereits gekündigt worden, hieß es vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwoch.

Das bedeutet auch: Selbst wenn die Kürzungen im Zuge der Haushaltsberatungen doch noch teilweise zurückgenommen werden, sind die bisherigen erfahrenen Mitarbeiter*innen dann wohl nicht mehr verfügbar.

17 Sep 2025

LINKS

[1] /Kottbusser-Tor/!t5298177
[2] /Sicherheitsgipfel-des-Berliner-Senats/!5959049
[3] /Zwei-Jahre-nach-dem-Sicherheitsgipfel/!6111049
[4] /Drogenpolitik-in-Berlin/!6103114
[5] /Goerlitzer-Park-in-Berlin/!6020259
[6] /Kriminalitaet-am-Goerlitzer-Park/!6042703
[7] /Kiezhausmeister-in-Berlin/!5867490
[8] /Parkmanagement-in-Berlin/!6107685

AUTOREN

Hanno Fleckenstein

TAGS

Schwarz-rote Koalition in Berlin
Görlitzer Park
Clara Herrmann
Berlin-Kreuzberg
Drogenhilfe
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Social-Auswahl
Görlitzer Park
Nolympia
Kürzungen
Görlitzer Park
Görlitzer Park
Görlitzer Park

ARTIKEL ZUM THEMA

Das Kreuz mit dem Kreuz

Das aus dem Görlitzer Park gestohlene Drehkreuz ist im Landwehrkanal aufgetaucht. Die Bezirkbürgermeisterin ist von dem Fundort nicht überrascht.

Proteste gegen Kürzungen in Berlin: Umverteilung statt Konkurrenz

Am Freitag demonstriert das Unkürzbar-Bündnis gegen den Haushaltsentwurf. Der Senat setzt falsche Prioritäten, kritisieren die Aktivist:innen.

Spardebatte in Berlin: Demokratie leider zu teuer

Die Jugendbildungsstätten würden gern alle Schüler*innen erreichen. Im vergangenen Jahr hatten sie aufgestockt, jetzt müssen sie nun wieder kürzen.

Kriminalität im Görlitzer Park: Zahlen sprechen gegen Zaun

Eine nächtliche Parkschließung wird wohl wenig helfen. Neuer Kriminalitätszahlen der Innenverwaltung zufolge geschieht ein Großteil der Straftaten tagsüber.

Zwei Jahre nach dem Sicherheitsgipfel: Übrig bleibt die Repression

Für soziale Arbeit, Hilfe für Süchtige oder Parkläufer gibt es keine Anschlussfinanzierung. Dagegen bleiben Videoüberwachung und der Görli-Zaun.

Drogenpolitik in Berlin: Es bleibt nur der Zaun

Zwei Jahre nach dem Berliner „Sicherheitsgipfel“ stehen die sozialen Maßnahmen rund um den Görlitzer Park vor dem Aus. Dabei sind sie ein voller Erfolg.