taz.de -- IGH-Gutachten zum Klimaschutz: Haftbar für Schäden auf dem ganzen Planeten

Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag stärkt Klimaklagen weltweit den Rücken. Damit es wirkt, muss es weltweit akzeptiert werden.
Bild: Kraftwerk in Ohio, USA: Nach dem Urteil des IGH können auch Staaten wie die USA für den Klimawandel haftbar gemacht werden

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat [1][ein Gutachten zum Klimaschutz veröffentlicht], das deutlich radikaler ausfiel als erwartet. Danach sind alle Staaten zu einem anspruchsvollen Klimaschutz verpflichtet, selbst wenn sie (wie die USA) aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Die Staaten müssen sich am 1,5-Grad-Ziel orientieren. Geschädigte Staaten sollen Industriestaaten für den Klimawandel haftbar machen können.

Für Deutschland hieße das, wir müssten eigentlich [2][sofort klimaneutral werden]. Und es drohen billiardenschwere Klagen für die Folgen des Klimawandels in anderen Teilen der Erde.

Anspruchsvolle Klimaziele sind gut, wenn sie weltweit akzeptiert werden. Das IGH-Gutachten kann hierbei hilfreich sein, weil es einen globalen Anspruch hat. Auch wenn das Gutachten selbst nicht verbindlich ist, können sich darauf nun Klima-Kläger weltweit berufen. Gerichte finden hier weitere rechtliche Stützen, um Behörden und Regierungen zu besserem Klimaschutz zu verpflichten.

Von selbst werden Regierungen das IGH-Gutachten derzeit aber wohl kaum aufgreifen. Klimaschutz ist nicht mehr populär, anders als noch vor vier Jahren. Damals konnte das Bundesverfassungsgericht in seinem Klimabeschluss den Schwung der Fridays-for-Future-Bewegung aufgreifen und verstärken. Die Politik bekannte sich nach dem Karlsruher Mahnruf sofort dazu, ihre Anstrengungen zu beschleunigen. Man hatte den Eindruck, Karlsruhe rannte offene Türen ein.

Das ist vorbei, heute sind die Doors of Opportunity, Möglichkeitstüren, wieder geschlossen. Umweltschützer und andere fortschrittliche Bewegungen sind weltweit in der Defensive. Der Klimaschutz (und nicht der [3][Klimawandel]) gilt als Gefährdung des eigenen Wohlstands. Möglicherweise wird das IGH-Gutachten einfach ignoriert, vielleicht löst es sogar neue Widerstände gegen das Völkerrecht aus. Die strengen Haftungsregeln werden die Abwehrtendenzen gegen strengere völkerrechtliche Vorgaben eher verstärken. Es ist einfach nur tragisch.

Falls es aber dem Bundesverfassungsgericht in seinem nächsten Klima-Urteil gelingt, die drängenden Impuls des IGH aufzugreifen und damit auch die Bevölkerung zu erreichen, dann könnte Deutschland ein Modell für den Westen sein; ein Modell für den Westen nach Trump, muss man wohl einschränkend sagen.

24 Jul 2025

LINKS

[1] /Internationaler-Gerichtshof/!6103474
[2] /Energiewende/!6099931
[3] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Bundesregierung
Den Haag
Social-Auswahl
Reden wir darüber
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
China
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt

ARTIKEL ZUM THEMA

Gutachten zu Klimafolgen: Den eigenen Untergang überdauern

Der Internationale Gerichtshof hat in einem Rechtsgutachten festgestellt: Auch im Meer versunkene Länder verlieren nicht ihre Staatlichkeit.

IGH Klima-Gutachten: Deutschland ist haftbar

Staaten können für Klimaschäden juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Deutschland muss eine Kehrtwende machen, sonst könnte es teuer werden.

EU-China-Gipfel: Frostige Botschaften in Peking

Bei dem Treffen stehen Streitpunkte wie Handel und Ukraine-Krieg im Vordergrund. Zumindest beim Klima dürften Brüssel und Peking einen Erfolg erzielen.

Internationaler Gerichtshof: Wer das Klima schädigt, muss laut Völkerrecht haften

Der Internationale Gerichtshof hat ein weitreichendes Gutachten veröffentlicht. Laut Völkerrecht müssen Klimasünder haften. Verbindlich ist das nicht.

Völkerrecht und Demokratie: Gefährliche Gretchenfrage

Wer die Demokratie schützen will, muss das Völkerrecht wahren. Dieser Grundgedanke wird hierzulande nicht konsequent genug verfolgt.