taz.de -- Kai Wegner über das Tempelhofer Feld: Lächerliche Inszenierung, aber gefährlicher Populismus
Berlins Regierender verspricht mehr Tempo bei der Feldbebauung. Das ist zwar aussichtslos, offenbart aber trotzdem ein fatales Demokratieverständnis.
Endlich! Wer gegen eine [1][Bebauung des Tempelhofer Felds] ist, kann aufatmen. Denn Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, selbst großer Verfechter des Vollklotzens, hat angekündigt, bei der Feldverschandelung Tempo machen zu wollen. Im [2][Interview mit der B.Z.] kündigte der CDU-Mann an, die Berliner*innen bereits kommendes Jahr über eine mögliche Bebauung abstimmen zu lassen, und, sobald das geschafft ist, „schnell in die Planung“ zu gehen.
Warum also die Erleichterung? Ganz einfach: Eigentlich immer, wenn eine Berliner Regierung verspricht, nun einen Zahn zuzulegen, hat das das Gegenteil zur Folge. Jüngstes Beispiel ist der [3][Zaun um den Görlitzer Park] – das andere symbolpolitische Herzensprojekt von Wegners schwarz-roter Koalition. Hier sind rund zwei Jahre nach der Ankündigung erst zwei Löcher ausgehoben.
Aber auch bei der [4][Digitalisierung] der Verwaltung, der [5][Rückabwicklung von Tempo 30] auf Hauptstraßen und den [6][Einbürgerungen] geht es nach großen Worten nicht schneller voran. Vom [7][Bau bezahlbarer Wohnungen] ganz zu schweigen.
Doch obwohl Wegners Inszenierung als Machertyp mit Spaten auf dem Asphalt des ehemaligen Flughafengeländes beinahe lächerlich wirkt – seine Forderung nach einer Volksbefragung, so unrealistisch sie sein mag, ist und bleibt gefährlicher Populismus.
Ein mächtiges Instrument
Denn eigentlich müssten CDU und SPD Berlins Bürger*innen gar nicht fragen, um die Feldbebauung zu beschließen. Das „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“, 2014 per Volksentscheid [8][von den Berliner*innen erkämpft], kann wie jedes einfaches Gesetz vom Abgeordnetenhaus geändert werden. Dafür hätten die Regierungsfraktionen auch eine Mehrheit.
Aber Wegner & Co trauen sich nicht; sie ahnen wohl, dass sie sich dabei die Finger verbrennen könnten. Um den Bebauungsfantasien einen demokratischen Anstrich zu verleihen, soll es also [9][eine Volksbefragung von Gnaden der Regierenden] geben. Die soll rechtlich nicht bindend sein – andernfalls müssten CDU und SPD für die Einführung eines solchen Instruments die Verfassung ändern – wofür ihnen die Mehrheit fehlt.
Ein solches „konsultatives Referendum“ wäre trotzdem ein mächtiges Instrument, weil es vermeintliche Fakten schafft: Der Senat könnte sich – bei Zustimmung – damit schmücken, einen „wahren Volkswillen“ umzusetzen und so Kritik aus Zivilgesellschaft und Opposition delegitimieren. Ein Szenario wie aus einem Lehrbuch für Populismus. Hinzu kommt, dass die Feldbebauung als [10][einfache Lösung für ein viel komplexeres Problem] präsentiert wird: die Berliner Wohnungskrise.
Ob eine Volksbefragung von oben überhaupt verfassungskonform wäre, ist ohnehin völlig unklar – genauso, ob sie überhaupt jemals kommen wird. Vor mehr als eineinhalb Jahren hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh angekündigt, noch 2024 ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Passiert ist seitdem: nichts.
4 Aug 2025
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