taz.de -- Kinotipp der Woche: Die Sache mit den Angehörigen
Die Deutsche Kinemathek zeigt Filme aus dem Archiv, die sich familiären Angelegenheiten widmen. Die ein oder andere Szene kommt da schon mal bekannt vor.
Da will man einfach nur mal ein paar Wochen lang irgendwo draußen auf dem Land, in der vermeintlichen Idylle, Urlaub machen, also abschalten und seine Ruhe haben. Aber dann werden die „Ferien“, die der Regisseur Thomas Arslan in seinem gleichnamigen Film behandelt, zu einem einzigen Horrortrip. Laura und Paul aus Berlin besuchen mit ihren Kindern Lauras Mutter in ihrem geräumigen Landhaus in der Uckermark. Der riesige Garten und ein Badesee versprechen Entspannung total, was denn auch sonst. Aber just in dem Moment, in dem die Sorgen des Alltags hinter einem liegen sollten und sich eine innere Ruhe einstellen könnte, zerstören alle nur erdenklichen innerfamiliären Konflikte das Ferienglück.
Alles, was bisher weitgehend erfolgreich totgeschwiegen wurde, kommt nun raus. Affairen werden eingestanden, unterdrückte Leidenschaften offenbart und bald machen sich die Mitglieder der Familie von Klein bis Groß gegenseitig fertig mit ihrem passiv aggressiven Verhalten, das jederzeit in offenen Hass umschlagen kann. Wer „Ferien sieht“ und gerade etwas ähnliches vorhat wie Laura und Paul in diesem Film, überlegt sich wahrscheinlich, ob es nicht doch besser wäre, den diesjährigen Urlaub lieber zu Hause zu verbringen.
Zu sehen ist der Film in der Reihe „Selects“ der Deutschen Kinemathek, dem großen Filmarchiv mit Sitz in Berlin. „Selects“ ist ein kostenloses Streamingangebot, bei dem Filme, die thematisch zueinander passen, für einen bestimmten Zeitraum zugänglich gemacht werden. Bis zum 15. Oktober dieses Jahres wird es um „Family Affairs“ gehen. Das heißt: Auch die acht weiteren Filme dieses Programms drehen sich um Familien und deren Probleme. Das reicht dann von einem Stummfilm wie „Die Buddenbrooks“ von Gerhard Lamprecht aus dem Jahr 1923 bis hin zu besagtem „Ferien“, der 2007 in die Kinos kam
Nun mag es vereinzelt Familie geben, die wirklich glücklich sind. Die eine angemessene Kultur der Konfliktlösung entwickelt haben und mit sich weitgehend im Reinen sind. Aber über solche Familien lassen sich nur schwer interessante Filme machen. Viel spannender ist da doch zu sehen, wie sich etwa in „Montag kommen die Fenster“ (2006) von Ulrich Köhler ein Paar auseinanderlebt und zwar nicht langsam, sondern mit einem ganz großen Knall. Nina und ihr Mann Frieder wollen endlich mit ihrer kleinen Tochter den Traum vom Eigenheim wahr werden lassen, die neuen Fenster für das Haus sind bereits bestellt.
Damit könnte ein neuer Lebensabschnitt beginnen, auch für Nina, doch die kommt eines Abends einfach nicht nach Hause und begibt sich stattdessen auf eine Reise, die offensichtlich der Selbstfindung dienen soll. Sie landet bei einem gealterten und abgehalfterten ehemaligen Tennisstar, der einen auf Playboy macht, und auch sonst sucht sie nach Erlebnissen, die sich offenkundig von denen in ihrem alltäglichen Leben unterscheiden.
Frieder wiederum weint nun nicht einfach nur in sein Kissen, als seine Lebenspartnerin verschwindet, sondern sucht Trost bei seiner Ex. Man ahnt schon: Langsam wird es wirklich kompliziert zwischen den beiden und ob sie nochmals zusammenkommen, ist mehr als nur fraglich.
„Ferien“ und „Montag kommen die Fenster“ sind nicht nur zu einer ähnlichen Zeit entstanden und sich thematisch sehr ähnlich. Auch ästhetisch sind sie auf einer ähnlichen Wellenlänge und erzählen ihre Geschichten sehr langsam. Erstaunlicherweise sind sie aber anders als viele dieser Filme, die auf eine sehr deutsche Weise umständlich Probleme durchkauen, auf eine gewisse Art packend.
Der Reiz kommt vielleicht aus einem Wiedererkennungswert. Dieses Schweigen zwischen familiär miteinander verbundenen Menschen, diese Unfähigkeit, einfach mal zielführend Dinge zu bereden oder gar zu lösen, in irgendeiner Form kennt das so gut wie jeder und jede. Und da ist es einfach reizvoll zu erleben, wie Laura und Paul und wie Nina und Frieder sich in bestimmten Situationen verhalten, die einem nur zu bekannt vorkommen.
30 Jul 2025
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