taz.de -- Wirtschaftsministerin Katherina Reiche: Im Klassenkampfmodus
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche erscheint schon nach kurzer Amtszeit als Fehlbesetzung. Sie bringt selbst die eigenen Reihen gegen sich auf.
Nahezu jede Woche haut Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche eine neue Provokation raus. Die Christdemokratin will mehr fossiles Gas, [1][grünen Wasserstoff würgt sie ab]. Den Erzeugern von Wind- und Solarstrom möchte sie spezielle Kosten aufhalsen und noch etliches mehr unternehmen, um die [2][Energiewende auszubremsen.]
Jetzt hat sie einen Generalangriff auf die Lebens- und Jahresarbeitszeiten in Deutschland gestartet. Denn die Beschäftigten arbeiteten ihrer Meinung nach zu wenig. Reiche funktioniert ihr Haus zum Kultur- und Klassenkampfministerium um. Damit hat sie die Rolle der Störgeräuschproduzentin in der Regierung übernommen, die früher FDP-Mann Christian Lindner innehatte. Der Unterschied: Lindner konnte nur blockieren, Reiche kann viel zerstören.
Bei ihrem Kreuzzug gegen die Energiewende wird die Ministerin auf Widerstand stoßen, und das nicht nur auf den, der von der Lobby der erneuerbaren Energien zu erwarten ist. Die Interessenlage ist komplex, auch konventionelle Energiekonzerne setzen längst auf Wind- und Solarkraft und wollen Planungssicherheit – die die Ministerin immer wieder infrage stellt. Sich angesichts dessen ohne Not noch mit anderen Seiten anzulegen, zeigt ein bemerkenswert aggressives missionarisches Sendungsbewusstsein.
Mit ihrer jüngsten Provokation zur Arbeitszeit bringt Reiche nicht nur Gewerkschaften und Sozialverbände in Rage, sondern auch den Arbeitnehmer:innenflügel der Union. Dass die Parteifreund:innen eine Ministerin öffentlich als Fehlbesetzung bezeichnen, wie es der CDA-Vizechef Christian Bäumler im Falle Reiches getan hat, ist mehr als ungewöhnlich. In Regierungszeiten, vor allem wenn sie erst begonnen haben, wäre absolute Parteiloyalität üblich.
Nicht nur für Friedrich Merz sollte es ein Alarmzeichen sein, dass [3][seine Wirtschaftsministerin] auch in den eigenen Reihen so schnell an Rückhalt verliert und als dysfunktional wahrgenommen wird. Auch die SPD-Spitze muss sich fragen, ob sie diese Form des Klassen- und Kulturkampfs weiterhin widerspruchslos hinnehmen kann.
27 Jul 2025
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
100 Tage Katherina Reiche: Die Bundeswirtschaftsministerin Reiche (CDU) polarisiert und setzt auf fossile Energie statt Klimatempo.
Betreiber von Wind- und PV-Anlagen sollen den Netzausbau mehr mitfinanzieren, sagt die Wirtschaftsministerin. Grüne befürchten „viele Verlierer“.
Griechenlands konservative Regierung kündigt ein Gesetz zur „Deregulierung der Arbeit“ an. Hoffentlich orientiert sich Deutschland nicht daran.
Wirtschaftsministerin Reiche setzt für ihre Energiepolitik auf ein Institut, das für seine Nähe zur fossilen Energiewirtschaft berüchtigt ist.
Das von Wirtschaftsministerin Reiche bestellte Energie-Monitoring sollte keine Entscheidungsgrundlage sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und US-Präsident Trump haben eine Lösung in Trumps Zolloffensive gefunden. Ein Teil: mehr Fossile aus den USA.
Die Wirtschaftsministerin hat Nachhilfebedarf in Sachen Energiewende – und lässt sich beraten. Ausgerechnet durch Hilfe eines fragwürdigen Instituts.
Die Aufgabenbeschreibung für das Energie-Monitoring verstößt gegen den Koalitionsvertrag. Das wirft SPD-Energieexpertin Scheer Ministerin Reiche vor.
Der Verband Energien Speichern fürchtet Gasknappheit bei einem sehr harten Winter. Das Wirtschaftsministerium weist das zurück.