taz.de -- Die Wahrheit: Immer im Sommer

Im Hochsommer ist es wie an der Aktienbörse: An Tagen mit kühlen Kursen – raus und alles mitnehmen! Bei steigenden Werten – ja keine Panikaktivitäten.

Heiße Sommertage sind dafür gemacht, sich bei halb heruntergelassener Jalousie mit der Steuererklärung zu beschäftigen. Oder eine Geschichtsdoku zu gucken, am besten in Schwarz-Weiß. Das war und das ist meine Devise und Mission.

Menschen, die bei über 30 Grad den Tag im Freibad, beim Grillen oder auf Weinfesten verbringen möchten, sollten ihr Verhalten dringend überdenken. Denn im Hochsommer gelten dieselben goldenen Regeln wie an der Aktienbörse: An Tagen mit kühlen Kursen ist es schlau, umherzuwuseln, alles mitzunehmen. Bei plötzlich steigenden Werten – keine Panikaktivitäten. Nur wenn unbedingt nötig, das Haus oder das Aktienpaket verlassen!

Ich weiß, wovon ich spreche, da ich sowohl durch Aktientreiben einmal Geld an der Börse verloren habe, als auch an einem überheißen Sommersonntag versucht habe, alles so zu erledigen, wie man es angeblich so macht. Neun Uhr Frühstück, derweil Planung eines Schwimmbadbesuchs. Um elf Uhr dann bepackt mit riesigen Taschen eine halbe Stunde in der Schlange anstehen, Einlass ins Schwimmbad, anschließend Duschen und Baden mit vielen sehr lauten Leuten.

Zwölf Uhr Pommes essen, ein kleines Bier trinken, mit Sonnenmilch eincremen. Dann Sonnenbaden, Tätowierungen pro und contra diskutieren, noch mal Baden. Hierbei Sonnenmilch nicht mehr erforderlich, da inzwischen im Becken ausreichend vorhanden. Gegen die aufkommende Müdigkeit einen Kaffee mit Kondensmilch und einen Mamorkuchen am Imbissstand einnehmen.

Nervenkitzel zum Wiederwachwerden

Was soll ich sagen? Um 18 Uhr waren wir wieder zu Hause, genossen die Ruhe, warfen den Grill an. Wir grillten alles, was wir im Kühlschrank fanden, es rauchte und wurde noch heißer – ein willkommener Nervenkitzel zum Wiederwachwerden. Danach besuchten wir ein Stadtteil-Weinfest. Ein Fest, auf dem nichts passiert – außer, dass Wein in Gläsern verkauft wird.

Studien zeigen, dass Weintrinker länger leben als Leute, die keinen Wein trinken. Das glaube ich auch. Glaube allerdings nicht, dass das vom Weintrinken kommt, sondern vielmehr von den vielen klugen Reden darüber. Die stärken die Lunge.

Wir kehrten schließlich im Dunklen heim. Der Blick in den Spiegel zeigte eine starke Gesichtsrötung, magische Mischung aus Sonnenbrand und Weinseligkeit. Als Absacker vorm Einschlafen noch eine Folge der beliebten Serie „Emily in Paris“. Dort gab es auch das Problem, dass es in der Kapitale sehr heiß war. Wie Emily das Problem gelöst hat, weiß ich nicht, weil ich gnädigerweise eingeschlafen bin.

Am nächsten Morgen war die Weinseligkeit verschwunden, aber das Gesicht immer noch knallrot. Vielleicht aus Wut darüber, dass der vorherige heiße Tag so aus dem Ruder gelaufen war. Noch mal: Heiße Tage sind dafür gemacht, sich bei halb heruntergelassener Jalousie mit der Steuererklärung zu beschäftigen. Oder eine Geschichtsdoku zu gucken, vorzugsweise in Schwarz-Weiß.

24 Jul 2025

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Claudia Römer

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