taz.de -- Jurist über Rassisten in Sportvereinen: „Der Ausschluss ist immer Ultima Ratio“

Was tun, wenn Vereinsmitglieder durch rassistische Äußerungen gegen die Werte des Vereins verstoßen? Jurist Martin Nolte erklärt, was wann möglich ist.
Bild: Schaffte es nach einer Satzungsänderung, einen NPD-Politiker auszuschließen: Der TuS Appen

taz: Herr Nolte, welche rechtlichen Grundlagen braucht es, damit man ein Mitglied mit rechtem Gedankengut aus dem Sportverein ausschließen kann?

Martin Nolte: Voraussetzung dafür, dass man ein Mitglied aufgrund einer menschenverachtenden Aussage ausschließen kann, ist, dass die Satzung des Vereins einen Ausschluss erlaubt. Der Verein muss nicht alle Einzelheiten in der Satzung geregelt haben. Aber er sollte einen Wertekanon in der Satzung formuliert haben, wonach er allen menschenfeindlichen Bestrebungen entschieden entgegentritt. Außerdem braucht es einen Ausschlussgrund, wonach ein Mitglied bei vereinsschädigendem Verhalten ausgeschlossen werden kann. Dies kann in einer nachrangigen Ordnung geregelt werden. Dann wäre eine Verknüpfung hergestellt zwischen den Werten eines Vereins und einem schädigenden Verhalten. Das wäre eine rechtssichere Regelung. In der Rechtsfolge muss man schließlich prüfen, ob der Ausschluss auch verhältnismäßig ist. Das kommt auf jeden Einzelfall an.

taz: Ausschlussverfahren hängen also nicht nur von der vereinsinternen Politik ab?

Nolte: Nein, das ist nicht vereinsinterne Politik, sondern eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Recht auf Mitgliedschaft und der Verteidigung von Werten des Vereins. Ich denke jetzt mal verfahrenstechnisch: Der Verein trifft eine Maßnahme, den Ausschluss, und das Mitglied geht dagegen vor. Dann würde sich ein Gericht fragen, ob sich der Ausschluss als verhältnismäßig erweist. Und wenn es zum Ergebnis kommt, dass der Verstoß eher gering war, dann würde ein Ausschluss unter Umständen für unzulässig erklärt werden. Der Ausschluss wäre zwar gut gemeint, aber nicht gut.

taz: Wie geht man mit mündlichen Aussagen um? Sie sind schließlich kein Verstoß, der bleibt und vorzeigbar ist.

Nolte: Also, ich habe den Vereinen immer dazu geraten, alles zu dokumentieren. Das kann man durch alle zulässigen Beweismittel machen, also Zeugenaussagen, Aufzeichnungen, Schriftdokumentationen und so weiter. Wenn man einfach behauptet, der habe mehrmals das und das gesagt, das ist aber nicht beweisbar, dann hätte der Verein in einem Gerichtsverfahren natürlich nichts an der Hand.

taz: Macht es einen Unterschied, ob eine Person innerhalb oder außerhalb des Vereins gegen dessen Werte verstößt?

Nolte: Ob das nun öffentlich, also außerhalb des Vereins, geäußert wird oder innerhalb des Vereins, ist nicht entscheidend. Ein Mitglied kann einem Verein auch durch Äußerungen und Handlungen außerhalb des Vereins schädigen.

taz: Gibt es Mittel, Vereinsmitglieder vor einem Ausschluss zu sanktionieren?

Nolte: Ja, auf jeden Fall. Es gibt natürlich die Verwarnung als mildestes Mittel. Der Ausschluss ist immer Ultima Ratio. Es gibt auch temporäre Verbote, bestimmte Gruppen zu leiten. Das ist eine klassische Maßnahme, die man machen kann zur Bewährung von Personen. Das Spektrum ist also ganz weit. Alles das, was an Maßnahmen von dem Verein gegenüber Mitgliedern getroffen werden darf, muss als solches aber in der Satzung enthalten sein.

taz: Gilt das auch für einfache Mitglieder des Vereins?

Nolte: Ja, das gilt auch für einfache Mitglieder des Vereins. Bei Funktionsträgern oder Organwaltern kommt deren besondere Verantwortung hinzu.

taz: Wenn man von Vereinsausschlüssen liest, betrifft das meistens Mitglieder der NPD. Wie verhält es sich mit der AfD?

Nolte: Bei der [1][NPD] handelt es sich um eine als verfassungsfeindlich erklärte Partei. Bei der [2][AfD] ist das nicht so. Und bei Sportvereinen gilt das Gemeinnützigkeitsrecht und damit parteipolitische Neutralität. Trotzdem ist es zulässig, die Voraussetzungen in einer Satzung zu schaffen, um Mitglieder, die sich in irgendeiner Weise antidemokratisch, rassistisch oder menschenverachtend verhalten, aus dem Verein zu verweisen. Die Parteizugehörigkeit ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr der Verstoß gegen die Werte eines Vereins.

taz: Braucht es die Beobachtung oder Einstufungen durch den Verfassungsschutz?

Nolte: Die Zugehörigkeit zu einer Partei, auch wenn sie nicht als verfassungsfeindlich oder [3][gesichert rechtsextrem] bezeichnet wurde, kann im Widerspruch stehen zu den Werten eines Vereins. Nicht die Mitgliedschaft als solches ist dann der Grund für den Ausschluss, sondern die Feststellung, dass man als Mitglied in der AfD sich zu den Werten einer Partei bekennt, deren Programm diametral im Widerspruch steht zu den Werten eines Vereins. Dies wird verstärkt, wenn es sich um herausgehobene Mitglieder der Partei handelt. Bei einem denkbaren Ausschluss muss man sehr genau argumentieren. Pauschal in eine Satzung schreiben, die Mitgliedschaft in der AfD berechtige zum Ausschluss aus dem Verein, kann als Verstoß gegen das Gebot parteipolitischer Neutralität gesehen werden.

taz: Sie wirken zögerlich, halten Sie das für den falschen Weg?

Nolte: Man könnte daraus auch folgern, dass man das Mitglied zunächst von bestimmten Funktionen und Ämtern ausschließt. Dass man sagt, inhaltlich ist der Widerspruch so groß, dass dieses Mitglied nicht die Gewähr dafür bietet, zum Beispiel Jugendgruppen zu leiten. Ausschlüsse sind noch eine andere Frage, die von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Innerhalb eines Vereins hat man die Möglichkeit, auf Personen wenigstens noch ein Stück weit Einfluss zu nehmen. Also das ist auf der einen Seite eine Frage der Verhältnismäßigkeit und auf der anderen Seite ist es eine Frage der Weitsicht, ob es nicht besser ist, sich mit diesen Menschen auseinanderzusetzen, ohne ihnen verantwortungsvolle Positionen zu übertragen.

7 Jul 2025

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AUTOREN

Franziska Vetter

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