taz.de -- Loblied auf den Schatten: Erlösung in der Hitze
Wie dankbar man an den heißen ersten Julitagen für schattige Plätze war! Sie waren Lebensräume und Oasen. Die Sprache hat das noch nicht erfasst.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und wo viel Licht ist, auch viel Schatten? Wenn man Glück hat, ja. Und wenn die Städte gut eingerichtet sind, mit Grün zwischendrin und gut gestalteten Plätzen.
Über die [1][Hitze dieser ersten Julitage,] alles verlangsamte sich, selbst die Laptops wurden langsamer, ist viel geschrieben worden. Doch zum Faltenwurf dieser Tage gehörte auch der Schatten als die andere körperliche Erfahrung. Nach Abschnitten, in denen einen die Sonne anbrüllte und alles Hitze ausströmte, die Straße, die Häuser, die Gummigriffe des Fahrradlenkers, nach solchen Abschnitten in den Schatten zu treten, das war nicht einfach Abkühlung, es war Erlösung, Segen, Gnade.
Hier war nicht nur Überstehen, Überleben gar möglich, sondern Leben. Hier konnte man auch wieder einen klaren Gedanken fassen.
Und wie unterschiedliche Schatten es gab! Da war der durchlöcherte, flirrende Schatten, wie manche Bäume mit ihren Blätterdächern ihn spenden, im Glücksfall verbunden mit einer Ahnung von Feuchtigkeit, die die Blätter ausatmen; dankbar schaute man zu ihnen hinauf.
In die grillende Hitze spähend
Da war der luftige Schatten unter Markisen und Sonnenschirmen, der mit dem Sonnenstand wanderte, so dass diejenigen, die länger sitzen blieben, mit ihren Stühlen hinterherrücken mussten. Und dann war da dieser massive, dunkle Schatten neben manchen Gebäuden, in den man, zumal wenn auch noch ein Luftzug spürbar war, mit aufatmender Haut eintauchen konnte wie sonst nur in das Wasser eines Schwimmbad oder eines Sees.
Fast könnte man zum Phänomenologen werden. Auf jeden Fall war der Schatten an diesen Tagen nicht einfach die Abwesenheit des Sonnenlichts, er war etwas für sich, ein Lebensraum, eine Oase, eine Entität. Er bekam eine Ausdehnung und einen eigenen Körper. Und von ihm aus in diese unbarmherzige, grillende Hitze spähend, fiel einem auf, dass die deutsche Sprache, in der der Schatten eher abgewertet wird, in ihrer langsamen Entwicklung die Erderwärmung noch nicht eingepreist hat.
Das wird sich ändern. Im Schatten stehen – ja, gern, immer her damit, das ist doch gut! Die Schattenseiten des Lebens – ja, was soll schlimm sein an ihnen, nur die hält man aus an solchen Tagen! Wenn das so weitergeht mit der Klimakatastrophe, werden solche Wendungen noch positiv besetzt werden.
Und jetzt mal jeden Feuilletonismus beiseite. Hier steckt selbstverständlich auch eine [2][Lehre für Stadtplaner] und für Politiker. Erstens: Nehmt das Klima wieder ernst! Und zweitens: Schafft Schatten! Hitze tötet. Schatten hilft. Man war dankbar für jeden einzelnen Baum und für jedes einzelne öffentliche schattige Plätzchen.
5 Jul 2025
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