taz.de -- Ein Zoo für die „Problemtiere“: Alle dürfen rein

Eat-the-rich-Orcas, Wildschweine mit Identitäskrise und Schakale mit Ohrenfetisch: Diese Tiere will der Mensch töten, dabei gibt es eine simple Lösung.
Bild: 90 Schafe soll der Sylter Goldschakal schon gerissen haben. Auch er findet Platz im Zoo für alle Tiere, die Probleme machen

Blicken wir mal nicht auf die großen Probleme der Welt wie Kriege und wirklichkeitsverändernden Klimawandel. Blicken wir mal auf die großen Probleme bei uns! Zum Beispiel auf Sylt, da kann das Problem nicht so schnell weg (Insel) und sich unserer Betrachtung entziehen: Hier lebt [1][ein Goldschakal], der eng mit dem Wolf verwandt ist. Über 90 Schafe und Lämmer soll er seit Mai gerissen haben, wobei er eine besondere Schwäche für Ohren zeigte, deswegen will ihn so manche*r abknallen.

Dabei ist das Tier streng geschützt. Manche sagen jetzt: „Ja, ja, aber der kommt ja aus dem Balkan und hat hier eh nichts zu suchen.“ An diese Menschen: Migration ist – wie immer! – nicht das Problem.

Das Problem ist, dass Menschen nichts anderes einfällt als der Abschuss, der vom Schleswig-Holsteinischen Umweltministerium beschlossen und vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht inzwischen wieder aufgeschoben (nicht aufgehoben) wurde. Gut so.

Zum einen ist das Tier in den letzten Tagen gar nicht auffällig geworden. Zum anderen gibt es eine viel bessere Lösung: Wir fangen den Goldschakal und bauen mit ihm als erstem Insassen einen neuartigen Problemtier-Park auf. Das dürfte Peta genauso wenig gefallen wie Jagd, aber sei’s drum. Der Schakal lebt, die Schafe auch (außer die, die geregelt verfüttert werden) und die Kinder haben einen schönen Samstag mit Oma und Opa beim Tieregucken.

Alle lieben Gladys

Zu den weiteren Attraktionen gehören [2][die Orcas, die seit 2020 vor Gibraltar Segeljachten demolieren, allen voran ihre Anführerin Gladys]. Forschende sagen, es sei ein Spiel, aber sind wir doch ehrlich und geben uns dem menschlichen Bedürfnis hin, tierisches Verhalten mit menschlichen Gefühlen zu erklären: Kapitalismus und seine Statussymbole sind abzulehnen, zumal wenn sie in den eigenen Lebensraum eindringen. Alle, die schon mal, einem auf dem Gehweg parkenden SUV den Lack zerkratzen wollten, verstehen das.

Deswegen lieben wir Gladys. Weniger geliebt wurde das Wildschwein, das sich 2023 im brandenburgischen Kleinmachnow tagelang als Löwe getarnt hat, um Aufmerksamkeit zu erregen. Liebes Schwein, das war kein Scherz. Das war Betrug. Ab in den Problemtier-Park!

Dort braucht es auch einen Platz für [3][die Paviane aus dem Nürnberger Zoo], die sich so unkontrolliert fortpflanzen konnten, dass sie jetzt ständig um Platz für ihren nackigen Po zanken müssen. Der Zoo überlegt, ob er jetzt Tiere töten muss, dabei ist ihr Bestand eh schon rückläufig.

Gegenüber vom Gehege für Braunbären (ein rechter Politiker in der Slowakei hatte vorgeschlagen, Problembären zu essen, „weil Bärenfleisch essbar ist“) befindet sich der Streichelzoo (Nicht betreten! Nichts streicheln! Zu gefährlich!) und die Anlage für Kleintiere mit der gesamten Rattenpopulation Berlins.

Das Sommerloch als Tierfalle

Wer sein Geld nicht im Souvenierladen für Kühlschrankmagneten mit Wal und Sichel ausgegeben hat, kann nebenan den letzten Euro am Terrarium der Thripse ausgeben und mit dem Vergrößerungsglas deren entzückendes Sozial- und Ernährungsverhalten beobachten (Pflanzen kaputt fressen). Vielleicht gibt es bald noch eine weitere Attraktion, eine Großkatze vom Geiseltalsee in Sachsen-Anhalt. Die wurde am Freitag erstmals gesichtet und zwischenzeitlich für ein Puma gehalten. Ob es doch wieder nur ein Wildschwein ist?

Am besten stellen wir ein Sommerloch auf und schauen, was sich darin verfängt. So ein Sommerloch funktioniert wie eine Wolfsgrube: Ein Tier läuft drüber und fällt rein. Funktioniert aber nur im Sommer und bei Tieren, die wir uns halluzinieren, damit sie unsere Sommerferien und generell das Leben bereichern.

18 Jun 2025

LINKS

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AUTOREN

Johannes Drosdowski

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