taz.de -- Kommunikation zwischen Paaren: Liebe in Zeiten der Gesprächsblockade

Früher hieß es, man müsse miteinander schweigen können. Heute googelt man, wie man peinliches Schweigen beim Date vermeidet – eine kritische Analyse.
Bild: „Worte zerstören, wo sie nicht hingehören“, Daliah Lavi im Dezember 1972

Ich weiß nicht, warum, vielleicht wegen des jüngst stattgefundenen [1][Eurovision Song Contests] und dem kulturpessimistischen Gedanken, dass die Schlager früher irgendwie besser waren. Aber letztens kamen mir unvermittelt Daliah Lavi und ihr Lied „Meine Art Liebe“ zu zeigen in den Sinn. Darin lobt die Sängerin das Beziehungsschweigen.

Sie behauptet: „Worte zerstören, wo sie nicht hingehören.“ Glaubt man also dem deutschen Schlager, dem Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ und der landläufigen Meinung, so hat das Schweigen einen besseren Ruf [2][als das Gespräch]. Es gilt sogar die Annahme, dass dort, wo man „zusammen schweigen“ könne, die Liebe am größten sei.

Beobachtet man aber Paare in Restaurants, die sie sich stumm gegenüber sitzen, das Besteck streicheln und die Tischtuchfalten glätten, hat man den Eindruck, [3][dieses Schweigen] ist nicht so angenehm wie behauptet. Ein Gespräch zu zweit wäre doch irgendwie netter – aber ein Gespräch über was?

Vor allem im Urlaub ist das Paargespräch für viele mühsam. Man ist den ganzen Tag zusammen – was soll man reden?

„Beziehung lebt durch Gespräch.“ So lautet das Credo vieler Paartherapeuten. Damit ist nicht das allgemein gefürchtete Beziehungsgespräch gemeint, sondern das einfache Miteinander-Reden über „Gott und die Welt“.

Schon der berühmte Paartherapeut Friedrich Nietzsche sprach von der Ehe als einem langen Gespräch. „Man soll sich beim Eingehen einer Ehe die Frage vorlegen: glaubst du, dich mit dieser Frau bis ins Alter hinein gut zu unterhalten? Alles andere in der Ehe ist transitorisch, aber die meiste Zeit des Verkehrs gehört dem Gespräche an.“

Vermeidung der Gesprächsstockung

Googelt man das Wortpaar „Beziehung und Gespräch“, finden sich auf verschiedenen Foren verzweifelte Hilferufe von Leuten, denen die Gesprächsthemen in Beziehungen ausgehen. Die Verunsicherung ist groß. Ist es das Ende, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat? Oder ist es normal?

Aber auch am eventuellen Anfang einer Beziehung, beim Dating, ist die Angst vor versandenden Gesprächen und peinlichem Schweigen verbreitet. Deshalb gibt es immer mehr Ratschläge und Hilfestellungen zur Vermeidung der Gesprächsstockung.

Beim ersten Date ist es nämlich wichtig, dass man vom Small Talk zum Deep Talk findet. Ratsuchenden werden die Themenkreise Familie, Urlaub, Reisen, Hobbys vorgeschlagen.

Auch eine Liste verrückter Fragen soll helfen, das Datinggespräch in Gang zu bringen. Was ist das Dümmste, das du jemals getan hast? Tattoo oder Piercing? Berge oder Strand? Der Erfahrung nach kann das aber keinem Gesprächsverunsicherten aus der Patsche helfen.

Andererseits: Vieles, was früher galt, gilt nicht mehr. Zum Beispiel die Regel, dass man beim ersten Kennenlernen das Thema „Krankheiten“ vermeiden sollte.

Heute können Selbstbeobachtungen über neurodivergente Eigenschaften und zugehörige Therapien durchaus ein guter Gesprächsopener und Eisbrecher sein und zum Bonding der Gesprächspartner beitragen. Für Ältere bleiben die Themen Rücken, Alkoholunverträglichkeit und frühmorgendliches Erwachen.

28 May 2025

LINKS

[1] /ESC-Liveticker-Oesterreich-gewinnt-den-Eurovision-Song-Contest-2025/!6088810
[2] /Kinder-fragen-die-taz-antwortet/!6081522
[3] /Stundenlange-Sprachnachrichten/!6076505

AUTOREN

Christiane Rösinger

TAGS

Kolumne Aus dem Leben einer Boomerin
Kommunikation
Liebespaare
Dating
Digital Natives
Kommunikation
wochentaz

ARTIKEL ZUM THEMA

Stundenlange Sprachnachrichten: Brieftaube 2.0

Lange Sprachnachrichten im Alltag zu verschicken, ist sehr beliebt, manche hassen sie aber auch. Ein Blick auf ein Phänomen unserer digitalen Zeit.

Sonderausstellung über Nachrichten: Aus der Postkutsche ins Internet

Was verraten Nachrichten darüber, wie wir uns verständigen? Eine Sonderausstellung zu dem Thema im Museum für Kommunikation Berlin kann auch überfordern.

Kollektives Zusammenarbeiten: Warum Menschen ohne Kommunikation aufgeschmissen sind

Ob Mensch oder Ameise, in Gruppen können sie Großes leisten. Nur im Wie unterscheiden sie sich – und in manchen Aufgaben sind Ameisen sogar überlegen.