taz.de -- Umwelttechniker über Digitalisierung: „Das Problem ist die Kühlung“

Was bedeutet Digitalisierung für die Umwelt? Felix Gruber von der Bundesstiftung Umwelt über den Energie- und Rohstoffverbrauch von Rechenzentren.
Bild: Immer mehr Datentransfers fressen immer mehr Strom: ein Rechenzentrum in Baden-Württemberg

taz: Herr Gruber, was bedeutet Digitalisierung für die Umwelt?

Felix Gruber: Erst mal eine Entmaterialisierung. Wir haben Dinge auf den Bildschirm verlegt und dachten, das bedeute eine Reduzierung des Energieaufwands: Einen Brief musste ich ausdrucken, in einen Briefumschlag packen, und dann wurde er mit Autos von A nach B gefahren. Eine Mail hat einen deutlich geringeren CO2-Abdruck.

taz: Wo ist dann das Problem?

Gruber: Wir verschicken nicht mehr nur Mails und ein paar wenige Daten, sondern sind [1][permanent online]. Und wir senden große Datenvolumina: Bilder, Streaming … Seit ChatGPT kommen noch die ganzen [2][KI-Anwendungen] – auch in der Industrie – dazu. Das setzt extrem große Rechen- und Speicherkapazitäten voraus. Die zu verarbeitenden Datenmengen werden mit dem Thema „autonomes Fahren“ noch mal deutlich zunehmen.

taz: Ist das große Umweltproblem die Rechenleistung?

Gruber: Der Energieverbrauch ist das eine Problem. Das zweite sind die Rohstoffe für die Hardware. Dabei geht es nicht nur um die paar Rechner, die irgendwo im Büro stehen, sondern um die großen Rechenzentren und Speicher, die weltweit aufgebaut werden. In Deutschland ist Frankfurt der große Hub, an dem vieles zusammenläuft.

taz: Also die Infrastruktur des Digitalen.

Gruber: Da hängen auch strategische Entscheidungen dran: Wo und wie ein Rechenzentrum aufgebaut wird, muss wegen des hohen Energieverbrauches mit den Stromversorgern abgestimmt werden. Da müssen armdicke Kupferkabel verlegt werden. Energietechnisch betrachtet sind das regelrechte Industriebetriebe. Dazu kommt die Redundanz: Da hängen unsere Energiewende, die Krankenhäuser, sozusagen unser ganzes Leben dran. Deshalb müssen sie doppelt und dreifach abgesichert werden. Auch das braucht sehr viel Energie.

taz: Wie viel?

Gruber: Zurzeit zeigen [3][alle Kurven steil nach oben]. Das Wirtschaftsministerium geht für 2030 von 35 bis 40 Terawattstunden aus. Das ist wirklich viel: Aktuell verbrauchen wir in Deutschland ungefähr 500 Terawattstunden Strom.

taz: Lässt sich der Verbrauch senken?

Gruber: Vielfach geht es um die Kühlung: Die Prozessoren erzeugen viel Wärme und müssen aufwendig gekühlt werden. Bisher erfolgt das häufig mit gekühlter Luft. Große Rechenzentren werden zum Teil sogar extra in kalte Regionen oder in Bergwerke gebaut. So kann man die Rechner konstant mit kalter Luft kühlen. Es wäre viel effizienter, diese [4][Abwärme zu nutzen].

taz: Wie denn?

Gruber: Zum Beispiel, um Gebäude zu heizen oder Prozesswärme zur Verfügung zu stellen. Das ist aber nicht trivial. Die Standorte dieser Rechenzentren folgen oft dem Stromnetz, und an den Knotenpunkten hat man nicht unbedingt Wärmeabnehmer. Das muss man aber künftig planen!

taz: Und wenn die Rechner irgendwann weniger Wärme generieren?

Gruber: Die Prozessoren werden zwar leistungsstärker, aber die technologische Entwicklung gleicht sich mit den erhöhten Anforderungen aus.

taz: Wie meinen Sie das?

Gruber: Das ist der Reboundeffekt. Wir haben effizientere Motoren. Was war die Folge? Die Autos sind größer und schwerer geworden. Dasselbe gilt für Rechenkapazitäten. Dadurch haben wir keinen echten Umweltgewinn.

taz: Wenn uns technologischer Fortschritt nicht aus der Klimakrise rettet, wo kann man dann regulieren?

Gruber: Wir wollen ja technologischen Fortschritt! Aber die Regulierung läuft immer ein Stück weit der technologischen Entwicklung hinterher. Und daher ist das Setzen von guten Rahmenbedingungen wichtig. Beim Recycling fragt man sich zum Beispiel: Braucht man wirklich so eine Vielzahl an Verbundwerkstoffen? Könnten wir Bauteile nicht mit weniger Materialvielfalt konstruieren? Oder man könnte über Verwendungs- statt nur über Recyclingquoten sprechen; also, dass in neuen Produkten ein bestimmter Anteil recycelter Materialien eingesetzt werden muss. Dafür braucht es Ordnungsrecht. Außerdem bedarf es guter Rücknahmesysteme, sortenreiner Aufbereitung und Hilfe für Recyclingbetriebe.

taz: Wie kann die aussehen?

Gruber: Das kann ein digitaler Produktpass sein, in dem alle Produktionsschritte der Lieferkette eingetragen sind. Die EU [5][führt das gerade für Batterien ein]. Damit weiß ein Recycler, was in einem Produkt drin ist und wie er es auseinandernimmt. So kann er die Rohstoffe sortenreiner trennen und sie – das soll ja ein Kreislauf sein – wieder an die Hersteller weitergeben.

2 Jun 2025

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AUTOREN

Selma Hornbacher-Schönleber

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