taz.de -- Ukraine-Gespräche in Saudi-Arabien: Was Selenskyj noch bleibt

Für die Ukraine geht es um die nackte Existenz, die Perspektiven in Dschidda sind schlecht. Das Land kann eigentlich nur noch auf sich selbst zählen.
Bild: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (r) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Riad, am 10.3.2025

Wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass die Ukraine Friedensverhandlungen nicht mit Russland führen muss, sondern mit den USA. Bei den anstehenden Gesprächen zwischen Regierungsdelegationen aus Kyjiw und Washington in Saudi-Arabien geht es nicht um ein Ende des russischen Angriffskrieges. Es geht darum, ob die Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA wieder normalisiert werden können.

Trump [1][hat die Ukraine militärisch fallengelassen] und wirft sie Russland zum Fraß vor. Erst am Sonntag hat Trump öffentlich in Frage gestellt, ob die Ukraine überhaupt überleben werde – Putin braucht gar nichts mehr zu sagen, sein Kollege übernimmt die Drecksarbeit.

Für die Ukraine geht es um die nackte Existenz. Trump will Putin ein umfassendes Friedensangebot auf Kosten der Ukraine machen, und das ukrainische Team in Saudi-Arabien kann dieses Angebot entweder vorab annehmen und damit die faktische Kapitulation unterzeichnen, oder es ablehnen und sich damit der Gefahr aussetzen, dass Washington und Moskau sich ganz offiziell militärisch zur Vernichtung der Ukraine im Namen des „Friedens“ verbünden.

Es gibt ein einziges politisches Kalkül, auf das Kyjiw noch setzen kann: nämlich dass Russland sowieso nicht zu Frieden mit den USA bereit ist. [2][Einen Waffenstillstand in der Ukraine], das hat Moskau schon mal klargestellt, wird es nicht geben, irgendwelche Zugeständnisse auch nicht. Irgendwann, so die verzweifelte Hoffnung, wird Trump das merken. Und geht man davon aus, dass Trumps Deal nie Realität wird, fällt es leichter, jetzt Zugeständnisse dafür zu signalisieren, weil man sie ja nie einlösen muss.

Es ist eine riskante Strategie. Aber was bleibt Kyjiw anderes übrig? Auf Europa warten? Das dauert zu lange, und zu viele Kräfte in Europa würden die Ukraine opfern, damit sie selbst verschont bleiben. Die Ukraine kann jetzt eigentlich nur noch auf sich selbst zählen und an der Kriegsfront Fakten schaffen. Zu verlieren hat sie nichts mehr.

10 Mar 2025

LINKS

[1] /Strack-Zimmermann-zur-politischen-Lage/!6072999
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!6073982

AUTOREN

Dominic Johnson

TAGS

Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Donald Trump
Social-Auswahl
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Donald Trump
Strafzölle
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Unser Fenster nach Russland

ARTIKEL ZUM THEMA

„Friedensgespräche“ in Riad: Die Verhandlungen mit Russland sind sinnlos

Mit Russland kann man nicht verhandeln, denn Putin geht es um die Zerstörung der Ukraine. Und auf die USA kann das angegriffene Land nicht zählen.

Ukraine-Festival in Berlin: Fake News und Fake-Frieden

Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt ins „Café Kyiv“ nach Berlin. Der Andrang ist immens. Die Panels hallen nach wie ein lauter Weckruf an Europa.

Krieg in der Ukraine: Russlands dröhnendes Schweigen

Kyjiw erklärt seine Bereitschaft zu einer Waffenruhe, die US-Militärhilfe läuft wieder. Wie reagiert Putin? Das offizielle Moskau hält sich bedeckt.

Verhandlungen um Ukraine-Waffenruhe: Zweite Runde in Saudi-Arabien

Im saudi-arabischen Dschidda sprechen ukrainische und US-amerikanische Delegationen über ein mögliches Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine.

US-Handelsstreit: Trump lenkt nach Telefonat ein

Donald Trump hat einen Großteil der Zölle gegen Mexiko und Kanada vorerst ausgesetzt. Kanada setzt seine Gegenzölle ebenfalls aus.

Selenskyjs „Brief“ an Donald Trump: Genug Dreck gefressen

US-Präsident Trump und sein Vize J.D. Vance provozierten eine Eskalation, um dann eine Entschuldigung zu fordern. Die hat Selenskyj nun gegeben, weil er weiß – er hat keine Wahl.

Meduza-Auswahl 17. Februar – 5. März: Wie lange könnte die Ukraine ohne US-Hilfen durchhalten?

US-Präsident Donald Trump kündigt der Ukraine die Unterstützung auf. Was bedeutet das für die Streitkräfte des angegriffenen Landes?