taz.de -- Sondierungen von Union und SPD: Die Grünen pokern hoch – und das ist richtig so

Friedrich Merz hat es versäumt, die Grünen früh einzubeziehen. Jetzt bekommt er die Quittung dafür. Nun muss Merz zeigen, dass er Kompromisse kann.
Bild: Nein-Sager:innen: Britta Haßelmann (vorne rechts) und die neue Grünen-Fraktion im Bundestag

Friedrich Merz und seine Koalitionspartner:innen in spe haben sich offenbar verrechnet. [1][Die Grünen fügen sich nicht einfach den Plänen für die Turbo-Verfassungsänderung], die die voraussichtlich künftige Bundesregierung noch vom alten Bundestag verabschieden lassen will. Für ein paar warme Worte sind sie nicht zu haben, sie lassen ihre Muskeln spielen. Das dürfte nicht nur Union und SPD überraschen, denn in den Ampel-Jahren waren die Grünen aus Staatsräson trotz Demütigungen kompromissbereit bis zur Selbstaufgabe.

Die Unionchefs Markus Söder und Friedrich Merz betrachteten Grünen-Bashing bis vor Kurzem als konservativen Volkssport. Jetzt sind sie bei den geplanten Grundgesetzänderungen für die Abschaffung der Schuldenbremse für Militärausgaben und das „Sondervermögen“ für die Infrastruktur nicht nur im Bundestag auf ihre Stimmen angewiesen. Auch im Bundesrat müssen die grün mitregierten Länder die Verfassungsänderung mittragen. Das gibt den Grünen viel Macht.

Trotzdem hat es Friedrich Merz versäumt, die Grünen bei den Verhandlungen über Schuldenbremse und „Sondervermögen“ früh einzubeziehen; stattdessen hat er sie vor vollendete Tatsachen gestellt und düpiert. Das zeigt seine krasse diplomatische Unfähigkeit. Hoffentlich stellt er sich in internationalen Runden geschickter an, sollte er tatsächlich Bundeskanzler werden.

Die Grünen pokern hoch, und das ist richtig. Merz hat ihnen kein akzeptables Angebot gemacht, um ihre Zustimmung zu erreichen. [2][Die Vokabel „Klima“ in ein rechtlich bedeutungsloses Papier aufzunehmen, wie in Aussicht gestellt], wäre nicht einmal ein symbolisches Entgegenkommen. Dass die Grünen etwas Verbindliches verlangen und sich nicht mit vagen Versprechen abspeisen lassen, spricht für sie.

Am Ende werden die Grünen nicht stur bleiben

Jetzt kann Merz beweisen, ob er das politische Handwerk beherrscht und eine tragfähige Lösung findet. Die finanzielle Lage des Staates ist prekär, das wissen die Grünen besser als so manche:r Christdemokrat:in. Sie werden sich auf ein akzeptables Angebot einlassen, denn sie verstehen sich als konstruktiver Teil des Bundestags. Auch wenn es zeittechnisch anspruchsvoll ist, könnte es eine Lösung für die Teilabschaffung der Schuldenbremse geben – wenn Merz will. Union und SPD könnten anbieten, sie nicht nur für Verteidigungsausgaben, sondern auch für Klimaschutz abzuschaffen.

Für das Öffnen der Militärausgaben wird es im neuen Bundestag keine Mehrheit mehr geben. Ohne diese Verfassungsänderung aber werden in den kommenden Jahren zunehmend Militär- gegen Sozialausgaben ausgespielt. Das würde das Land weiter zermürben.

10 Mar 2025

LINKS

[1] /Gruene-blockieren-Milliardenpaket/!6075076
[2] /Schuldenbremse-und-Sondervermoegen/!6073883

AUTOREN

Anja Krüger

TAGS

Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Bündnis 90/Die Grünen
Friedrich Merz
Schwerpunkt Grundgesetz
Social-Auswahl
Regierungsbildung
Bundeswehr
Sondierung
Verfassungsänderung
Schwerpunkt Klimawandel
Bündnis 90/Die Grünen
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025

ARTIKEL ZUM THEMA

+++ Einigung zu Finanzpaket +++: Grüne holen 100 Milliarden für Klima raus – doch es gibt Kritik

Union und SPD haben mit den Grünen ein Milliardenpaket vereinbart. Die Summe für Klimaschutz wird verdoppelt. Kritik kommt etwa von links.

Geld fürs Militär: Bundeswehr kommt auf keinen grünen Zweig

Der Truppe fehle Material, meint Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD). Über den künftigen Etat fürs Militär sind Union, SPD und Grüne noch nicht einig.

Maja Göpel zu Union-SPD-Sondierungen: „So wird es männlich, dominant und weiß“

Transformationsforscherin Maja Göpel vermisst im Sondierungspapier von Union und SPD die großen Linien – und ein Bekenntnis zu echter Veränderung.

AfD und Linke klagen in Karlsruhe: Schwächung der Opposition per Gesetzesänderung

Dem Verfassungsgericht liegen sechs Eilanträge vor. Sie sollen eine Grundgesetzänderung durch die alte Bundestagsmehrheit verhindern. Haben sie Chancen?

Union und SPD: Klimaschutz ins Grundgesetz

Umweltverbände fordern mehr Geld für Maßnahmen gegen Erderhitzung – der Klimaschutz käme im Sondierungspapier der künftigen Koalition kaum vor.

Sondierungen von Union und SPD: So nicht, sagen die Grünen

Die Ex-Regierungspartei lehnt das Sondervermögen und die Reform der Schuldenbremse ab – zumindest wie Schwarz-Rot diese bisher vorschlagen.

Geplante Grundgesetz-Änderungen: Linke stellt Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht

CDU/CSU und SPD wollen mit alten Mehrheiten im Bundestag das Grundgesetz ändern und mehr Kreditaufnahme erlauben. Die Linke zieht jetzt vor Gericht.

Grüne blockieren Milliardenpaket: Nö, so nicht

Die Grünen wollen dem von Union und SPD geplanten Verteidigungs- und Infrastrukturpaket nicht zustimmen. Sie beharren auf eine Reform der Schuldenbremse.

Schwarz-rote Sondierungen: So einfach darf Merz nicht davonkommen​

Investitionen sind dringend notwendig, aber die Finanzpläne von Union und SPD sind der falsche Weg. Die Grünen sollten sie ablehnen.