taz.de -- Demos gegen rechts am Wochenende: Mehr als eine halbe Million auf der Straße
Seit Freitag haben mehr als 550.000 Menschen für die Demokratie demonstriert. Die aktuellen Proteste richten sich vor allem gegen CDU-Chef Merz.
Berlin taz | Es war ein Wochenende der großen Demos. Am Sonntag ganz besonders: Berlin, wo laut Polizei mehr als 160.000 und laut Veranstalter*innen eine Viertelmillion Menschen gegen rechts auf die Straße gingen. Und auch die anderen Städte lassen sich sehen: 65.000 in Hamburg, 44.000 in Stuttgart, 40.000 in Köln und 20.000 in Regensburg.
Seit Freitag waren zwischen 550.000 und 700.000 Menschen auf der Straße. Das zeigt eine Auswertung der taz von mehr als 100 Demonstrationen – für Dutzende Demonstrationen am Sonntag lagen noch keine Zahlen vor. Die Proteste finden bereits seit Anfang Januar bundesweit statt. Bis zu 1,1 Millionen Demonstrant:innen standen seither auf der Straße. Während sich die Demos zunächst gegen die AfD und andere Neonazis wandten, ist inzwischen auch die Union das Ziel der Demonstrationen.
Die gemeinsame Abstimmung der Christdemokrat*innen mit der AfD gab der Bewegung in den vergangenen Tagen einen kräftigen Schub. Die Union hatten unter Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit FDP und AfD einen Antrag für verschärfte Asylpolitik eingebracht – [1][womit sie erfolgreich war]. Am Freitag versuchten die Parteien einen Gesetzesentwurf mit ähnlichen Inhalten durchzudrücken – [2][womit sie scheiterten].
Diese Zusammenarbeit mit den extrem Rechten war ein Tabubruch, auf den Bürger und Bürgerinnen bundesweit mit Demonstrationen geantwortet haben. An zahlreichen Orten fanden Spontandemonstrationen statt, [3][wie die taz berichtete]. [4][In Paderborn] kletterten Aktivist:innen auf einen Balkon der dortigen CDU-Zentrale und rollten Transparente aus. In Dresden machten 1.000 Menschen während einer Wahlkampfveranstaltung der CDU Lärm.
Auf einer Kölner Demo hielt eine Frau ein selbst gebasteltes Schild hoch: „Fritz, hör auf Mutti“. Eine Anspielung auf die [5][deutlichen Worte Angela Merkels] zu dem Politikstil der CDU unter Friedrich Merz. Seit dem ersten Antrag der Union am Mittwoch gingen insgesamt über 450.000 Menschen auf die Straße.
In Neu-Isenburg versammelten sich am Samstag etwa 9.000 Menschen, um gegen eine Veranstaltung der Partei vor Ort zu demonstrieren. Dabei blockierten die Protestierenden Straßen, und einzelne Demonstrant:innen versuchten laut Polizei auf das abgesperrte Veranstaltungsgelände zu gelangen. [6][In Göttingen] zeigten etwa 5.000 Menschen klare Kante gegen eine Veranstaltung von 150 Querdenker:innen.
Beeindruckend sind auch die Großdemonstrationen mit mehreren Zehntausend Teilnehmenden. [7][In Hamburg] bildeten am Freitag 20.000 Menschen eine Kette um das Rathaus, um der AfD symbolisch den Weg zu versperren, wie die Omas gegen rechts verkündeten. Am Tag darauf zückten bis zu 100.000 ihre Handys und erleuchteten den Jungfernstieg, während sie im Kanon das bekannte antifaschistische Lied: „Wehrt euch, leistet Widerstand“ sangen.
Ob die Proteste an so vielen Orten weitergehen, wird sicher auch von den Entscheidungen am Montag beeinflusst werden: Auf dem Parteitag der CDU sollen die Delegierten in Berlin ein Sofortprogramm beschließen. Das umfasst weitreichende Verschärfungen in der Asylpolitik. Außerdem will die CDU Beschlüsse der Ampel wieder rückgängig machen, unter anderem die Cannabislegalisierung.
Bis zur Bundestagswahl sind allerdings schon jetzt mehr als 200 Demonstrationen gegen Rechts angekündigt.
Wir sammeln Termine für die aktuellen Demonstrationen gegen rechts über die Mail-Adresse [8][demohinweise@taz.de]. Wir freuen uns über Hinweise auf Demonstrationen – am liebsten mit einer Quelle zu Berichterstattung durch Lokalmedien – und auf Demotermine in der Zukunft. Fehler und veraltete Informationen nehmen wir auch gerne an und korrigieren diese. Vielen Dank für die zahlreichen Zuschriften bisher!
2 Feb 2025
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