taz.de -- Die Wahrheit: Mikadogemetzel in Münster

Aus dem eigentlich ruhigen Münster erreichen uns apokalyptische Nachrichten – Grünkohl mit Pinkel und auch Töttchen sollen im grausamen Spiel sein.

Wie wir soeben durch einen Boten per Pony-Express erfahren haben, ist das westfälische Bistum Münster von Gott und der Welt bis auf Weiteres komplett abgeschnitten und verlassen. Gemunkel zufolge soll sich die eine Hälfte der Münsteraner bereits Hände und Füße absägen, um sie zu essen. Die andere Hälfte hat schlagartig Skorbut bekommen, und die dritte Hälfte sucht grad in den einschlägigen Wochenblättern nach attraktiven Sekten. Die vierte Hälfte holt Grünkohl mit Pinkel aus dem Keller und die fünfte Hälfte, der Ehren-Münsteraner Thomas Gsella, isst Töttchen und findet es lecker.

Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein höllenhaftes Endzeitszenario, wie bei Hieronymus Bosch, aber noch schlimmer. Der Vatikan ist angeblich per Brieftaube bereits informiert, aber ob man dieser Brieftaube trauen kann, weiß in diesen schweren Tagen ja kein Mensch mehr. Woher zum Teufel soll die Brieftaube auch wissen, wo der Papst wohnt?

Eingekerkert zwischen unüberwindlichen, mit Stacheldraht umflochtenen Stadtmauern raufen sich die verzweifelten Bürger nicht nur die Haare, sondern sich auch untereinander. Sogar an Zahlen und Buchstaben, Quadraten, Augenbinden und Holzlöffeln mangelt es, seit die Not immer mehr rechtschaffene Münsteraner zu teuflischen Spielen wie zum Beispiel Blinde Kuh, Topfschlagen oder Schiffe versenken treibt.

Die aufgebrachten Horden ziehen nächtens mit Fackeln, Heugabeln und Kanonen ins Hafenviertel, wo sie unter höllischem Gejohle ihrem entsetzlichen Treiben Tür und Tor öffnen. Andere Aufständische ziehen mit Büffelmützen und Beilen vor das Münstersche Rathaus und verlangen mit blutunterlaufenen Augen von den Verantwortlichen Scrabble, Spielkarten und sogar Würfel oder Schachfiguren, Mensch ärgere dich nicht und Malefiz. Ganz Verwegene wagen es sogar, eine Leiter in den Himmel zu bauen, als hätte der Turmbau zu Babel nicht schon genug Ärger über uneinsichtige Sünder, Sünderinnen und Diverse gebracht.

Weihwasser ist ausgegangen

Klopapier gibt es anscheinend nicht mehr und Weihwasser ist auch ausgegangen. An einzelnen Stellen der untergehenden Stadt sollen sogar Mädchen in Kniestrümpfen gesichtet worden sein, die sich dem unanständigen Laster des sogenannten Gummitwists hemmungslos hingeben. Und Buben in kurzen Socken rollen den jüngsten Gerüchten zufolge unentwegt Glasmurmeln gegen Mauern.

Experten der ganzen Welt befürchten mittlerweile, dass es auch noch zu einer Knappheit an Handschuhen, Schals und Besteck kommen könnte, wenn die ersten komplett Irren auf die wahnwitzige Idee verfallen, die barbarische Sitte des „Schokolade essen“ wieder aufleben zu lassen.

Die Lage scheint aussichtslos. Erste Propheten prophezeien, dass die Münsteraner sich bald mit aus Langeweile selbst geschnitzten Mikado-Stäben ausrotten werden. Sei’s drum, irgendwann wird das Internet wohl wieder angehen …

21 Nov 2024

AUTOREN

Corinna Stegemann

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