taz.de -- Abstimmung im Bundesrat: Krankenhausreform mit Ach und Krach
Im Bundesrat hat sich keine Mehrheit gefunden, um Lauterbachs Reformprojekt zu stoppen. Im Januar soll das Gesetz in Kraft treten.
Es war ein wahrer Krimi an einem sonst eher angestaubten Ort der Demokratie: Der Bundesrat hat am Freitag den Weg für Karl Lauterbachs Krankenhausreform freigemacht. Damit tritt das [1][viel diskutierte Gesetz] zum 1. Januar 2025 in Kraft. Langfristig soll so das Finanzierungssystem der Krankenhäuser auf andere Beine gestellt und die Krankenhausversorgung spezialisierter und zentralisierter werden.
Bund und Länder hatten lange über Ausnahmen für den ländlichen Raum, Qualitätskriterien, Übergangsfristen und die Übernahme der Umbaukosten gestritten. Zudem fürchteten die Länder, dass durch die Reform ihr Einfluss auf die Krankenhausplanung untergraben wird.
Bis zuletzt war am Freitag deshalb nicht sicher, ob die Reform den Rat der Länder passieren wird. Das Gesetz ist zwar nicht zustimmungspflichtig, doch ein Antrag Bayerns auf Anrufung des Vermittlungsausschusses hätte es ausbremsen können. Da die Ampelregierung am Ende ist, wäre das wohl das Ende der Krankenhausreform gewesen.
Noch während der Aussprache wurde auf den Gängen des Bundesrats diskutiert. Ob „ja“ oder „nein“, die Spaltung verlief dabei nicht nur entlang von Parteien. In der laufenden Sitzung ploppte eine Eilmeldung des rbb auf. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) noch vor Ort [2][im Bundesrat von ihren Aufgaben entbunden.]
Ursprünglich wollte Nonnemacher eine Rede halten, in der sie erklärt, warum die Krankenhausreform zwar kein Allheilmittel sei, aber wesentliche Verbesserungen enthalte. Einer Zustimmung des Landes Brandenburg zu einem Vermittlungsausschuss hätte sie im Bundesrat widersprochen, erklärt Nonnemacher im Gespräch mit der taz. „Ich habe sie entlassen, weil sie sich geweigert hat, dem Vermittlungsausschuss zuzustimmen“, bestätigt Ministerpräsident Woidke nach der Bundesratssitzung.
Dann schließlich die Abstimmung: Hessen, Berlin und Schleswig-Holstein enthalten sich. Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern stimmen gegen einen Vermittlungsausschuss. Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg (ohne Nonnemacher) und Baden-Württemberg dafür.
Zum Schluss ist Thüringen dran: Zunächst stimmt Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, doch Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) widerspricht. Damit werden die Stimmen von Thüringen ungültig. Eine absolute Mehrheit kommt so nicht zustande, der Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses wird abgelehnt. Die Krankenhausreform passiert den Bundesrat.
Krankenhäuser sollen sich spezialisieren
Die Freude bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war nach der Sitzung groß: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt ganz klar, dass sich die Krankenhauslandschaft in den nächsten 20 Jahren verändern wird, und zwar zum Guten.“
Für die Krankenhäuser bedeutet die Verabschiedung des Gesetzes [3][etwas mehr Planungssicherheit.] In den kommenden zwei Jahren werden nun Details definiert und die Leistungsgruppen den Krankenhäusern zugeteilt. Über die Leistungsgruppen sollen zukünftig Qualitätskriterien an die Finanzierung von Krankenhausbehandlungen geknüpft werden.
Langfristig sollen sich die Krankenhäuser so spezialisieren. Damit trotz der Zentralisierung und Spezialisierung auch die auf dem Land notwendigen Grundversorger überleben, sollen Vorhaltepauschalen eingeführt werden. Bisher werden Kliniken nur für behandelte Fälle bezahlt, künftig sollen durchschnittlich 60 Prozent der Kosten über diese Pauschalen abgedeckt werden.
Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, ist mit der Abstimmung nicht zufrieden. NRW wollte den Vermittlungsausschuss anrufen. „Ich will das Gesetz nicht kaputtmachen, ich will es nur besser machen“, sagt er. Im Moment seien die Bemessungen der Leistungsgruppen jedoch so eng, dass er als Gesundheitsminister eines Flächenlandes nicht wüsste, wie man die Krankenhausdichte auf dem Land erhalte. Das wird nun Aufgabe der kommenden Bundesregierung sein.
22 Nov 2024
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Vom Arbeiterkind zum Spitzenpolitiker: Karl Lauterbach wollte unbedingt Gesundheitsminister werden. Nun zieht er Bilanz.
Die Mockumentary „St. Denis Medical“ seziert das unterfinanzierte US-Gesundheitssystem. Das Lachen bleibt dabei manchmal im Hals stecken.
Wegen wirtschaftlicher Probleme gehen immer mehr Krankenhäuser insolvent. Die Krankenhausreform ist daran nicht Schuld, trägt aber wenig zu einer Besserung bei.
Ein Mitglied der terroristischen „Kaiserreichgruppe“ ist zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er wurde der Umsturzpläne für schuldig befunden.
Scholz oder Pistorius? Für ihre Entscheidung hat die SPD-Spitze viel Zeit gebraucht. Für ihren Kandidaten und für die Partei war das nicht hilfreich.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher wurde während der Sitzung des Bundesrats entlassen. Ein Gespräch über die Klinikreform und ihren Konflikt mit Dietmar Woidke.
Über die Frage, ob wir AfD-Wähler:innen in der taz mehr zitieren sollten, diskutiert die Redaktion seit Wochen heftig. Ein Pro & Contra.
Nach dem Verzicht von Pistorius auf die SPD-Kanzlerkandidatur ist der Weg frei für Scholz. Er behält das Manko, dass seine Partei ihm nur bedingt vertraut.
Lange Zeit verliefen die Koalitionsverhandlungen in Brandenburg geräuschlos. Nun scheint es zu krachen, auch in der SPD. Es geht um die Kohle.