taz.de -- Krieg in der Ukraine: „Wuhledar, das ist es gewesen“
Russische Truppen nehmen die Bergarbeiterstadt Wuhledar in der Ostukraine ein. Damit sichern sie sich auch eine wichtige Eisenbahnlinie.
Berlin taz | Die Ukraine hat die Stadt Wuhledar an die russischen Besatzer verloren. Nachdem ukrainische und russische Telegram-Kanäle bereits seit Tagen darüber berichtet hatten, wird der Rückzug der ukrainischen Truppen aus der Bergarbeiterstadt nun auch offiziell vom Pressedienst der Truppeneinheit „Chortiza“ bestätigt.
Mit dem Rückzug, so die Erklärung, sei man einer Einkesselung der Stadt entgangen. Unter den gegebenen Umständen, so der Kriegsbeobachter Denis Popowitsch im ukrainischen Radio NV, sei eine Verteidigung der Stadt nicht mehr möglich gewesen.
„Wuhledar, das ist es gewesen“ kommentiert der Journalist und Militär Dmitro Wownjanko den Fall der Stadt auf seiner Facebook-Seite. Dennoch hätte die dort kämpfende Einheit Unglaubliches geleistet. Noch im August 2022 habe er dort vor Ort gehört, dass es wohl nur noch eine Frage von Wochen sei, bis die Russen die Stadt einnehmen würden. Und dann sei es gelungen, den Ort zwei Jahre zu halten.
Aber zwei Jahre an einem Ort zu kämpfen, ohne Ablösung, sei schwer. Er kritisiert auch die Abgeordnete „Madam Besuhla“, die am 23. September auf Telegram erklärt hatte, der Verlust von Wuhledar sei nur eine Frage der Zeit. Solche Veröffentlichungen, so Wownjanko, würden die Besatzer doch nur anstacheln. „Das tut weh. Wuhledar, die Datschen, das Bergwerk ´Pivdennodonbaska´ – ich kenne diesen Ort sehr gut und habe selbst dort gekämpft.“ Der Fall von Wuhledar bedeute auch, zitiert die ukrainische Nachrichtenagentur Unian den Militärexperten Andri Rischenko, dass sich die russischen Truppen Dnipro und Saporischschja nähern würden.
Neue Verteidigungslinie
Die ukrainischen Streitkräfte werden nach dem Verlust von Wuhledar nun eine neue Verteidigungslinie aufbauen. Und so werde das Dorf Bohojawlenka Zentrum der nächsten Schlachten werden, vermutet das Portal strana.news. Mit der Einnahme von Wuhledar [1][hätten sich die Russen auch eine für sie wichtige Eisenbahnlinie, die Donezk mit Mariupol, der Krim, Saporischschja und der Region Cherson verbindet, gesichert]. Nun könnten sie ungehindert die Zugverbindung von Donezk nach Mariupol nutzen.
Auch andere ukrainische Städte wurden von den russischen Streitkräften angegriffen. So haben nach offiziellen Angaben russische Luftschläge gegen die Industriestadt Saporischschja im Süden des Landes schwere Schäden an zivilen Gebäuden angerichtet. In Charkiw wurde in der Nacht auf Donnerstag nach Angaben des Bürgermeisters Ihor Terechow ein mehrstöckiges Haus von einer Gleitbombe getroffen. Dabei seien zehn Personen verletzt worden. Auch aus Slawjansk und Kyjiw wurden Explosionen gemeldet.
Opfer von Luftangriffen werden auch aus Russland gemeldet. In Belgorod, so berichtet der Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow, seien bei ukrainischen Drohnenangriffen drei Menschen getötet worden und knapp zwanzig Personen verletzt worden. Unter den Verletzten, so Gladkow, seien auch ein 14-jähriges und ein dreijähriges Mädchen sowie deren Mütter.
3 Oct 2024
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der russische Frachter „Ruby“ irrt durch Nord- und Ostsee. An Bord befindet sich hochexplosives Ammoniumnitrat. Experten wittern ein Kalkül Russlands.
Abseits der großen Bewegung gab es auch alternative Friedensdemos in Berlin. Sie fordern Frieden – aber ohne „Putin-Propaganda“.
Der ukrainische Präsident Selenskyj wirbt in den USA um Hilfen für sein Land im Krieg. Im Oktober soll ein Spitzentreffen in Deutschland stattfinden.
Diplomatie ohne Militärgewalt funktioniert so wenig wie Militärgewalt ohne Diplomatie. Die Ukraine muss gestärkt werden, damit Russland verhandelt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj tritt im UN-Sicherheitsrat auf. Er ist gegen Verhandlungen mit Russland und setzt auf militärische Stärke.