taz.de -- Kürzungen im Bundeshaushalt 2025: Zerstörung der Kultur geht schnell
In Berlin protestieren Künstler*innen der freien Szene gegen anstehende Kürzungen. Sie fordern eine Korrektur des Bundeshaushalts 2025.
Das Fundus Theater in Hamburg hat sich der Forschung mit Kindern verschrieben. Praktische Erfahrungen sammeln, zum Beispiel über Hühner und Eier, oder wie geht das, wählen? Als sie 2022 am neuen Standort am Platz der Kinderrechte eröffneten, gab es ein ermutigendes Grußwort von Kulturstaatsministerin Claudia Roth.
Daran erinnerte sich Sibylle Peters, künstlerische Leiterin des Fundus Theaters am Montag in einer Videobotschaft im Berliner HAU. Umso weniger kann sie es fassen, dass aus Roths Haus jetzt die Ansage kommt, fast die Hälfte (46 Prozent) der Mittel des Fonds Darstellende Künste einzusparen, auf den Projekte am Fundus Theater angewiesen sind.
Bitterkeit, Enttäuschung und Empörung: Das verband die 20 Künstler:innen, die an einem emotional aufgeladenen Vormittag ins HAU gekommen waren, um eine Korrektur der im [1][Bundeshaushalt 2025 vorgesehenen Kürzungen der Bundeskulturfonds und der Streichung der Förderung des Bündnis internationaler Produktionshäuser] zu verlangen.
Petition mit mehr als 32.000 Unterschriften
Die Titel der beiden Institutionen sind nicht sehr geläufig, ihre Arbeit aber ist überlebenswichtig für große Teile der freien Szene. Eingeladen hatte Regisseur*in und Aktivist*in Heinrich Horwitz, die unter dem Titel [2][„An der Freien Kunst zu sparen, kostet zu viel!“] eine Petition auf den Weg auf gebracht hat, die inzwischen mehr als 32.000 Unterschriften hat.
Gekommen waren alte Kämpfer*innen der freien Szene, von She She Pop, von Gob Squad, von [3][Forced Entertainment]. Sie alle haben mit den Häusern des Bündnisses (Mousonturm Frankfurt, Kampnagel in Hamburg, Pact Zollverein Essen u. a.) eine lange Geschichte, in der sie neue Theaterformen auf einen erfolgreichen Weg brachten. Dass sie heute international touren und dabei auch Aushängeschilder deutscher Kultur sind, hängt mit den dort aufgebauten Netzen und Strukturen zusammen.
[4][Claire Cunningham] trat auf, Choreografin und Professorin für Disability Arts in Berlin. Sie betonte, dass die Häuser des Bündnisses in Programme investiert haben, was Künstler*innen mit Behinderung auf der Bühne, was Zuschauer*innen mit Behinderung brauchen. Andere Institutionen lernen von ihnen, wie Inklusion besser laufen kann. Das weiterzuführen, wird mit der Kürzung leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Die Kürzungen sind allein haushälterisch begründet. Sie scheinen blind gegenüber den Inhalten, um die es in der konkreten Arbeit geht. Das macht die Künstler*innen so fassungslos. Marginalisierten eine Stimme geben, mehr Teilhabe ermöglichen, Rassismus, Kolonialismus und Intersektionalität zum Thema machen, dafür engagieren sich viele der Auftretenden. Wolle man wirklich da den Rotstift ansetzen in Zeiten, in denen rechte Parteien erstarken? Das fragten sie auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. So erscheinen die Einsparungen auch politisch ein fatales Signal.
Vergeudung von Kraft und Wissen
Alexander Karschnia von der andcompany & co verwies auf die Niederlande, wo vor 12 Jahren ein gutes Fördersystem der Kulturszene geschreddert wurde; rückblickend eine Markierung auf dem Weg der Ausbreitung des Rechtspopulismus. Kat Válastur, Choreografin aus Griechenland, erzählte vom Ende der Tanzförderung dort, das Künstler*innen in andere Jobs oder andere Länder getrieben hat – eine Vergeudung von Kraft und Wissen.
So wurde an diesem Vormittag deutlich, dass die Streichungen nicht nur für viele Künstler*innen dramatisch wären, sondern auch Abbruch betrieben an solidarischen Strukturen, die man für die Zukunft braucht.
Die Petition von Heinrich Horwitz soll am 11. September an die Adresse der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt übersandt werden. Jetzt könne eine Korrektur nur noch im Parlament vorgenommen werden, erklärte [5][Helge Lindh, SPD-Mitglied und Bundestagsabgeordneter,] der einzige Politiker unter den Eingeladenen.
Auch er sieht die Förderung und den Schutz der freien Szene als eine Aufgabe, die umso dringender wird, je mehr rechte Parteien erstarken. Das klang zwar angriffslustig. Aber wie konkret dieser Kampf geführt wird, und wie laut und von wem, das liegt noch im Ungewissen.
4 Sep 2024
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Bund beendet die Netzwerkförderung der großen Produktionshäuser für Darstellende Kunst. International werden sie eine kleinere Rolle spielen müssen.
Mit seinem Stück „Bullshit“ grast das Performance-Kollektiv She She Pop auf Wiesen vermeintlicher Gewissheiten. Premiere war im Berliner Hebbeltheater.
Der Senat will sparen und Berlins Kulturszene fürchtet um ihre Existenz. Besonders hart trifft es kleine Einrichtungen – wie das Museum der Dinge.
Der Berliner Senat plant mit Kürzungen im Kulturetat. Nicht nur Theaterhäuser sind bedroht, sondern auch diejenigen, die Kunst als Ausgleich brauchen.
Wie wird es weitergehen? Düstere Aussichten auf und hinter der Bühne verhieß ein Abend am Deutschen Theater in Berlin: „Das Schiff der Träume“.
Zur Art Week steht Berlin im Zeichen der Kunst. Auch der Kulturpolitik würde das gut tun. Die Ausstellungshighlights und Protestevents der Woche.
Der Bund plant Kürzungen im Kulturbereich für 2025. Internationale Produktionshäuser wie Kampnagel und Hellerau sehen dadurch ihre Arbeit gefährdet.
Marion Ackermann wird neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Zuvor hat sie die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden geleitet.
Wenn die Rechte Kultur für sich entdeckt, braucht es dann mehr demokratische Kunst? Eindrücke vom Kulturpolitischen Bundeskongress.