taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Experimentell geerdet
Joanna Gemma Auguri erweitert ihren Dark Pop-Sound um Lap Steel Guitars, Kontrabass, Orgeln und Drones. Das klingt weitläufig, sphärisch und rund.
Das Wort „Hiraeth“ entstammt dem Walisischen und bedeutet Sehnsucht, Heimweh, Nostalgie – für Joanna Gemma Auguri befrachtete Begriffe. 1982 flüchteten ihre Eltern mit der damals Fünfjährigen aus Polen nach Göttingen – eine Entwurzelungserfahrung, die sie prägte. Eine emotionale Heimat fand sie unter anderem im Kirchenchor; später in Berlin machte sie Musik in verschiedenen Kontexten – unter anderem als Teil einer späten Inkarnation der Band Poems for Laila und Veranstalterin der schönen Reihe „The Saddest Music in The World“.
Ihr Solodebüt „11“, 2021 auf ihrem eigenen Label veröffentlicht, war aufs Wesentliche reduziert, recht schwermütig und von ihrer Stimme, der Zither und dem Akkordeon geprägt – Letzteres nutzte sie übrigens auch zum Komponieren, statt Klavier oder Gitarre. Sie schätzt den aus der Zeit gefallenen Klang und das breite Spektrum an Tönen.
Der Nachfolger „Hiraeth“ schwebt nun zwischen Dark Pop, Ambient und Kammerpop und klingt eher melancholisch als tieftraurig. Das klangliche und damit auch emotionale Spektrum ist breiter geworden. Lap Steel Guitar, Drums, Cello, Kontrabass, Bläser, Orgeln und Keyboards sind dazugekommen. Die kammermusikalische Anmutung blieb erhalten, doch sie trägt jetzt viele Töne Grau.
Die sphärischen Songs auf dem neuen Album atmen den Geist eines aufeinander eingeschwungenen Ensembles, das jedoch recht zurückhaltend agiert. Und weil harmonischer Wohlklang ja auch langweilen kann, gibt es wohldosierte Gegenakzente. Immer wieder mäandern Drones dräuend unter der Oberfläche und sorgen für experimentelle Erdung.
24 Aug 2024
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