taz.de -- Einsatz westlicher Waffen in Russland: Beschränkungen weiter sinnvoll
Nicht ohne Grund sind Waffenlieferungen des Westens an Bedingungen geknüpft. Eine Eskalation sollte immer noch möglichst vermieden werden.
Die Ukraine steht militärisch stark unter Druck. Russland greift bei Charkiw weiter an und ist auch im Südosten in der Offensive. Der ukrainische Präsident Selenskyj drängt deshalb darauf, Ziele in Russland auch mit westlichen Waffen beschießen zu dürfen, in der Hoffnung, so die Angriffe besser zurückschlagen zu können. Es ist nicht überraschend, dass die Ukraine in dieser schwierigen Lage alles ausprobieren will, was militärisch geht. Doch es ist auch nicht ungefährlich: Denn dadurch droht eine [1][Eskalation des Krieges], der sich zu einem Krieg zwischen dem Westen und Russland auswachsen könnte.
Die Gefahr ist keineswegs rein theoretisch, wie ein Vorfall vor wenigen Tagen zeigt: Da soll ein Radar nahe der Stadt Armawir in Südrussland angegriffen und beschädigt worden sein, und zwar mutmaßlich durch ukrainische Drohnen. Das Problem: Die Anlage gehört zum russischen Frühwarnsystem, das das Land vor westlichen Atomraketen schützen soll.
Markus Reisner, Oberst beim Österreichischen Bundesheer und in den sozialen Medien bekannt für seine Militäranalysen, kommt zu einer [2][Bewertung] des Angriffs, die drastischer kaum sein könnte: „Der Angriff auf Armavir könnte die Bedingungen erfüllen, die Russland im Jahr 2020 öffentlich für gegnerische Angriffe festgelegt hat, die einen nuklearen Vergeltungsschlag auslösen könnten.“ Reisner ist keineswegs Putin-freundlich und wirbt in seinem neuen [3][Youtube-Video] für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.
Wenn die Ukraine mit westlichen, womöglich sogar US-Waffen – absichtlich oder unabsichtlich – die russische Atomabschreckung angreift, wäre das höchst problematisch. Jedenfalls kann man Warnungen, welche Folgen der Einsatz westlicher Waffen in Russland haben könnte, nicht leichtfertig abtun wie manche Experten auf X. Der Westen hat Waffen aus guten Gründen unter Bedingungen geliefert – um eine Eskalation zu vermeiden. Diese Gründe bestehen weiter. Deswegen dürfen die Bedingungen nicht geändert werden.
30 May 2024
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