taz.de -- ESC-Finale: Krach auf Kroatisch
Am Samstag ist das Finale des Eurovision Song Contest. Für nationalen Theaterdonner wird der kroatische Livestream sorgen.
Delirium ist ein zu schwacher Ausdruck für die Stimmung in Kroatien. Alle wissen: Den ESC in diesem Jahr gewinnt [1][der Künstler Baby Lasagna,] wer sonst? Die höchste Punktzahl für „Rim Tim Tagi Dim“ gilt im als ausgemachte Sache, klarer Fall, alle Welt weiß das.
Galt Baby Lasagna unter kroatischen Kommentatoren, Moderatoren und Musikkennern am Dienstag noch als bester Künstler, der Kroatien je beim ESC vertreten hat, ist er seit Mittwoch schon die beste Performance von allen, die es je beim ESC gegeben hat. Alles andere als ein Sieg wäre Betrug, Zagreb 2025 tätowieren sich Fans jetzt schon in den Nacken.
Das ganze Land dreht Videos, in denen „Tanzelemente“ des Songs imitiert werden, vor allem eine eckig ausgeführte Armbewegung mit angewinkeltem Ellenbogen, die die Luft zackig von oben nach unten durchschneidet: Feuerwehrverbände, Anglervereine und sogar die Gruppe [2][Let3], die im letzten Jahr Kroatien beim ESC vertrat.
In der Hauptstadt Zagreb wird es in Erwartung des ersten ESC-Titels für Kroatien am Samstagabend zum ersten Mal ein Public Viewing geben. Wer miterleben will, was nationaler Theaterdonner ist, sollte sich das nicht entgehen lassen. Alle anderen sei der [3][Livestream des kroatischen Fernsehens] empfohlen.
Es wird sicher lustig, live mitzuerleben, was passiert, wenn Baby Lasagna nicht gewinnt. Für die unter Garantie laute, wilde und irre kommentierte Übertragung im kroatischen Fernsehen brauchen Sie nur ein*en Sprachkenner*innen, die Ihnen die Flüche übersetzen kann.
Gewinnt Kroatien, wird es nicht weniger leise zugehen. Auch nach Beendigung des Livestreams. Es droht sich dann zu wiederholen, was passierte, als das kroatische Fußballteam von der WM in Moskau zurückkam: Tagelang lag [4][das Land lahm] und befand sich in einem irren Schachbretttaumel.
„ESC Finale“, auf [5][hrti.hrt.hr]
11 May 2024
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