taz.de -- Militärhilfe für die Ukraine: Macron bricht ein Tabu

Auf der Ukraine-Unterstützungskonferenz in Paris droht Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erstmals mit der Entsendung von Bodentruppen.
Bild: Will entschlossen wirken: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nach der Ukraine-Konferenz

Paris taz | Der russische Machthaber Wladimir Putin soll laut Staatspräsident Emmanuel Macron nicht den Eindruck haben, dass die Ukraine von ihren westlichen Alliierten im Stich gelassen werde. In der „Dynamik“ einer intensivierten Unterstützung dürfe auch die eventuelle offizielle Entsendung von Bodentruppen nicht ausgeschlossen werden, erklärte der französische Gastgeber einer Ukraine-Konferenz in Paris, zu der er kurzfristig die Staats- und Regierungschefs aus rund 25 Ländern eingeladen hatte.

Der Einsatz von Soldaten aus Nachbarländern und der Nato war bisher ausgeschlossen worden. Dass nun Macron dieses Tabu in der Pressekonferenz nach dem Pariser Treffen gebrochen hat, verdeutlicht vor allem, wie dramatisch die Stimmung und der Kontext bei dieser Konferenz, zwei Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine eingeschätzt wird. Die unzureichenden Waffen- und Munitionslieferungen sind der Hauptgrund für die Geländegewinne, welche die russischen Einheiten in den letzten Wochen an der östlichen Front verzeichnen konnten.

Die Alliierten haben ihre Versprechen nicht gehalten. In den USA ist die von Joe Biden angekündigte Militärhilfe vorerst im Kongress blockiert, und die EU-Staaten haben mehr in Aussicht gestellt, als sie dann konkret liefern konnten oder wollten. „Von einer Million Bomben, die uns die Europäische Union versprochen hatte, haben wir nicht die Hälfte, sondern leider nur 30 Prozent bekommen“, bedauerte am Montag vor dem Beginn des Treffens in Paris der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj, der die teilnehmenden westlichen Partner in einer Videobotschaft eindringlich um eine raschere und stärkere Hilfe ersuchte. Es gehe dabei auch um die Sicherheit der ebenfalls bedrohten Nachbarstaaten und ganz Europas.

Aus diesem Grund dürfe die Ukraine nicht verlieren, sagte auch Macron: „Die russische Niederlage ist im Interesse der europäischen Sicherheit und der Stabilität unentbehrlich“, erklärte er feierlich. Ein heilsamer „Ruck“ der Alliierten sei in diesem bedrohlichen Kontext notwendig, da Russland „immer aggressiver“ werde und auch vor Einschüchterungen nicht zurückschrecke, „wie dies der grausame [1][Tod von Alexej Nawalny] illustriert“.

Scholz argumentiert entgegengesetzt von Macron

Macron möchte dem russischen Staatschef Wladimir Putin von dieser Konferenz eine Botschaft schicken: „Wir sind weder resigniert noch defätistisch!“ Um dies zu untermauern, hatte er aber nur starke Worte und die Drohung mit einer Eskalation. Ein zusätzliches Programm von militärischer Hilfe stand in Paris nicht auf der Tagesordnung.

Wie weit die Nato-Länder, und im Speziellen auch Frankreich, eventuell gehen könnten, um einen russischen Sieg gegen die Ukraine zu verhindern, möchte Macron darum offen lassen. Diese Drohung schließt für ihn ausdrücklich auch die Frage von Bodentruppen ein.

„Viele von denjenigen, die heute sagen ‚Nie und nimmer‘ sind dieselben, die vor zwei Jahren sagten: ‚Keine Panzer, keine Flugzeuge, keine Langstreckenraketen‘. (…) Mit Bescheidenheit müssen wir konstatieren, dass wir (bei den Lieferungen) oft sechs oder zwölf Monate Verzug haben. Der Zweck der Diskussionen des Abends war zu erklären: Alles ist möglich, wenn es erforderlich ist, um unser Ziel zu erreichen.“ Die Alliierten seien „nicht im Krieg mit Russland“, seien aber entschlossen, „einen russischen Sieg nicht zuzulassen“.

Wie in der Konferenz hinter verschlossenen Türen Macrons Drohung mit Truppen interpretiert wurde, ist vorerst nicht bekannt. In Frankreich reagierte die politische Opposition jedoch sehr mit scharfer Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz bestätigte erneut, was er am Montagmittag erstmals deutlich bei einer Konferenz mit Chefredakteuren deutscher Medien gesagt hatte: dass für ihn die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgeschlossen sei.

Denn um den Taurus zu bedienen, müssten laut Scholz Bundeswehrsoldaten in die Ukraine, und im Unterschied zu Macron schloss Scholz das klar aus. Die FDP-Politikerin [2][Agnes Strack-Zimmermann kritisierte den Kanzler bereits am Montag] offen für diese Entscheidung und bezeichnete es als längst widerlegte Falschbehauptung, dass der Taurus nur zusammen mit Bundeswehrsoldaten geliefert werden könne.

27 Feb 2024

LINKS

[1] /Russischer-Dissident-Alexei-Nawalny-tot/!5992745
[2] https://twitter.com/MAStrackZi/status/1762097629591228886

AUTOREN

Rudolf Balmer

TAGS

Schwerpunkt Emmanuel Macron
Wolodymyr Selenskyj
Militär
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Waffen
Olaf Scholz
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Zwei Jahre Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Einsatz westlicher Waffen in Russland: Strategischer Balanceakt

Was die Ukraine braucht, sind schnelle Entscheidungen. Dass sich selbst angekündigte Waffenlieferungen verzögern, ist fatal für die Verteidigung.

Krieg in der Ukraine: Düstere Stimmung im Osten Europas

Die Abwehr des iranischen Luftangriffs auf Israel weckt Fragen in Osteuropa. Warum ist eine solche Intervention nicht auch in der Ukraine möglich?

Bodentruppen für die Ukraine?: Macron lenkt nur ab

Frankreichs Präsident zeichnet ein brandgefährliches Szenario. Stattdessen sollte das Land seine kläglichen Waffenhilfen für die Ukraine endlich ausweiten.

Debatte um Bodentruppen und Taurus: Kritik an Scholz und Macron

Frankreichs Präsident und der deutsche Kanzler sind in der Ukraine-Politik zuletzt uneins. Der Grüne Anton Hofreiter wirft beiden „Fahrlässigkeit“ vor.

Westliche Bodentruppen in der Ukraine?: Eiskalter Schauder

Macrons Bodentruppen-Vorstoß bedroht den zurückhaltenden Kurs der Nato. Und er ist kein Mittel, um den Krieg zu beenden.

Zweiter Jahrestag des Ukraine-Kriegs: „Jeder will, dass der Krieg endet“

Zum zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine sagte Präsident Wolodimir Selenski, ein Ende der Ukraine werde es nicht geben.

Zwei Jahre Krieg gegen die Ukraine: Russische Drohne verfolgt Baerbock

Außenministerin Annalena Baerbock hat ihren Besuch in der Südukraine abgebrochen. Es wurde eine russische Aufklärungsdrohne gesichtet.

Appell für Ukraine-Unterstützung: Waffen als echte Sicherheitsgarantie

Politiker:innen und Wissenschaftler:innen appellieren an die Mitgliedsstaaten des Ramstein-Formats, mehr Waffen zu liefern. Die Ukraine braucht sie dringend.