taz.de -- Potsdamer Radikalen-Treffen: Bundesweite Demos

Nach Bekanntwerden eines Geheimtreffens von Rechtsradikalen gehen Millionen Menschen gegen rechts auf die Straße. Wo finden die nächsten Proteste statt?
Bild: Demonstration: Auf die Straße! gegen Deportationspläne der AfD vor dem Roten Rathaus in Berlin, 17. Januar

Berlin taz | Nach den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv zu einem Geheimtreffen, an dem unter anderem AfD-Politiker teilnahmen, [1][gehen täglich Menschen gegen rechts auf die Straße]. Am 10. Januar hatte Correctiv über ein [2][konspiratives Treffen von hochrangigen AfD-Politikern], Neonazis, Vertreter:innen der Wirtschaft und Mitgliedern der Werteunion in einem Landhotel in Potsdam berichtet, bei dem die Deportation von Millionen Menschen besprochen wurde, die „die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben“, so das Recherchenetzwerk.

Am Wochenende nach den Enthüllungen hatte es zahlreiche Demonstrationen in ganz Deutschland gegeben. Am Sonntag, 14. Januar, gingen allein in Berlin [3][25.000 Teilnehmer*innen auf die Straße]. Am Wochenende darauf waren es im gesamten Bundesgebiet mehr als eine Million Menschen.

Das neu entstandene Netzwerk „Hand in Hand“ plant für den 3. Februar eine Menschenkette um den Bundestag. Das Bündnis zählt über 120 Organisationen, von Pro Asyl über Aufstehen gegen Rassismus bis Fridays for Future Berlin. Täglich werden im gesamten Bundesgebiet neue Proteste angemeldet. Die taz hat einige Termine zusammengetragen. Die Angaben haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind ohne Gewähr.

Der frühere Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, sprach bei dem Potsdamer Treffen im November nach eigenen Angaben über ein Konzept zur sogenannten Remigration. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Auch AfD-Politiker nutzen den Begriff in der Öffentlichkeit.

Laut Correctiv sollen 20 bis 30 Personen an dem Treffen beteiligt gewesen sein. Zweck des Treffens soll auch gewesen sein, Spenden für rechte Aktivitäten zu sammeln. [4][Neue Details veröffentlichte Correctiv] während einer szenischen Lesung am 17. Januar im Berliner Ensemble. Gleichzeitig zu den 170 Zuschauern im Theater [5][verfolgten mehr als 19.000 Menschen die Theaterperformance über Livestream]. Den hatte das BE zusammen mit dem Volkstheater Wien und der Onlineplattform www.nachtkritik.de angeboten.

Die neuen Details: Laut Correctiv soll auf dem Treffen im November auch der früher in der rechtsextremistischen Identitären Bewegung aktive Mario Müller über seinen „Kampf gegen die Linke“ gesprochen haben. Müller ist Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt.

Müller bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am 18. Januar, dass er bei dem Potsdamer Treffen „Düsseldorfer Forum“ am 25. November 2023 anwesend war und dort „über journalistische Recherchen zum Thema Linksextremismus gesprochen“ habe. Mehrere konkrete Vorwürfe aus der Correctiv-Recherche wies Müller auf Anfrage zurück. AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla sieht dennoch Klärungsbedarf. „Ich werde das Gespräch mit Jan Wenzel Schmidt suchen“, teilte Chrupalla auf Anfrage mit.

Am 15. Januar hatte ein AfD-Sprecher mitgeteilt, dass die Partei sich von einem Mitarbeiter der Parteichefin Alice Weidel trennen werde, nachdem bekannt geworden war, dass dieser am Treffen in Potsdam teilgenommen hatte.

Update am 25. Januar 2024

18 Jan 2024

LINKS

[1] /Demonstration-fuer-AfD-Verbot/!5985229
[2] /Geheimtreffen-mit-Rechtsextremen/!5984871
[3] /Proteste-gegen-rechts/!5986385
[4] /Potsdamer-Radikalen-Treffen/!5986496
[5] /Szenische-Lesung-von-Correctiv/!5983328

AUTOREN

Johanna Treblin

TAGS

Schwerpunkt Demos gegen rechts
Anti-AfD-Proteste
Schwerpunkt AfD
Demonstration
Schwerpunkt Neonazis
GNS
Recherche
Correctiv
investigativ
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Kolumne Der rechte Rand
Correctiv
Hamburg
Correctiv
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Alice Weidel

ARTIKEL ZUM THEMA

Rechtes Geheimtreffen in Potsdam: Braune Eminenz

Im November trafen sich in Potsdam Neonazis und AfD-Politiker. taz-Recherchen zeigen: Dabei war ein Unternehmer und rechter Netzwerker, der christliche Autoren verlegt – auch ein Buch von Papst Benedikt.

Rechtsextreme Chats in der Schule: Schüler:innen auf „Rassenfahrt“

An der Helene-Lange-Schule in Hannover teilen Schüler:innen rechtsradikale Inhalte in einer Chat-Gruppe. Der Schulleiter bestellt die Verfasser:innen ein.

Correctiv-Recherche im Theater: Es braucht Aufklärung für alle

Die Lesung der Correctiv-Recherche im Berliner Ensemble diente der politischen Aufklärung. Doch sie richtete sich nur an das Bildungsbürgertum.

Hamburger Demo muss verlegt werden: AfD plötzlich arbeitsam

Am Freitag will ein breites Bündnis gegen rechte „Remigrations“-Ideen protestieren. Mit einem Trick hat die AfD nun für eine Verlegung gesorgt.

Szenische Lesung von Correctiv: Recherche und Inszenierung

Das Investigativteam Correctiv führt seine viel diskutierte Recherche zum „Geheimtreffen“ von Rechten als szenische Lesung im Berliner Ensembles auf.

Potsdamer Radikalen-Treffen: Neue Details und weitere Demos

Rund eine Woche nach der Veröffentlichung werden weitere Details bekannt. Auch am Mittwoch demonstrierten Tausende gegen rechts. Weitere Demos folgen.

Correctiv-Recherche: Rechte profitieren von Enthüllungen

Für die AfD und Rechtsextremist Martin Sellner ist es ein großer Erfolg, dass ihr „Geheimtreffen“ aufflog. Ihre Schlagworte sind jetzt in aller Munde.

Geheimtreffen mit Rechtsextremen: AfD-Kader diskutieren Vertreibungen

Einflussreiche AfD-Politiker sollen mit Rechtsextremen einen Plan für rassistische Massenvertreibungen diskutiert haben. „Correctiv“ berichtet darüber.