taz.de -- Therapeutin über seelische Gesundheit: „Fitness-Studio für die Psyche“
Das ehrenamtliche Bremer Projekt Brynja schlägt mit Gruppenangeboten wie fairem Raufen oder Winterbaden eine Brücke zwischen Therapie und Alltag.
taz: Frau Rohloff, was ist der [1][Brynja Raum]?
Janna Rohloff: Brynja ist ein Fitnessstudio für die Psyche. Hier finden Veranstaltungen zu [2][psychischer Gesundheit] statt.
Ist das therapeutisch?
Ja, ich finde schon. Alle, die hier etwas anbieten – ob faires Raufen, Meditation oder Winterbaden – haben eine therapeutische oder pädagogische Ausbildung. Manches wie therapeutisches Boxen wird auch in Kliniken angeboten, nur findet es bei uns wie alles andere in der Gruppe statt. Das ist das Besondere bei Brynja.
Welche Funktion hat das Gruppenerleben?
Vieles von dem, was uns Stress macht, hat mit Beziehungen zu tun, mit Nähe, Kommunikation, Körperwahrnehmung, Grenzen, Selbstwertgefühl und Selbstbehauptung. In Bindung zu gehen, ist ein menschliches Grundbedürfnis. In den Gruppen findet all das statt. Es geht immer um Austausch und Begegnung.
Den Raum gibt es seit einem Jahr. Was war der Anlass ihn zu schaffen?
Ich steckte selbst in einer Krise, nachdem meine Mutter gestorben war und ich nach Hilfsangeboten suchte, die mich ansprechen. Da gab es nicht viel. Zudem hatte ich selbst lange in Kliniken gearbeitet und wusste von Patient:innen, wie schwierig es ist, [3][eine Brücke zwischen klassischen Therapieangeboten und Freizeit] zu schlagen. Diese Brücke sind wir.
Was meinen Sie damit?
Es heißt ja oft, Bewegung und Gemeinschaft helfe, um Krisen vorzubeugen oder sie zu überstehen. Aber sich bei einem Sport oder anderem Verein anzumelden, kann in manchen Lebensphasen sehr schwer fallen. Und dort gibt es nicht unbedingt jemanden, der professionell auffangen kann, wenn das Thema, das einen so beschäftigt, plötzlich aufploppt. Das geht ja nicht weg, nur weil ich aktiv werde.
Aber vielleicht gehört es dort nicht hin?
Das sehe ich anders. Seitdem ich im Gesundheitsbereich arbeite, stört mich diese Trennung von körperlicher und psychischer Gesundheit. Als hätte das nichts miteinander zu tun! Wer zu uns kommt, weiß, dass er oder sie hier nichts weg drängen muss. Das senkt die Hemmschwelle einfach zu kommen.
Sie arbeiten ehrenamtlich und finanzieren die Miete aus Spenden. Reicht das?
Dauerhaft nicht, nein, weil es viel Zeit und Energie frisst, wenn man jeden Monat zusehen muss, dass die Miete rein kommt. Wir haben 20 Menschen, die uns jeden Monat mit Kleinstbeträgen fördern und wir freuen uns über Spenden, wenn jemand ein Angebot nutzt. Jetzt haben wir einen Antrag auf eine Grundförderung bei der Senatorin für Gesundheit gestellt und hoffen sehr, dass das klappt. Das Problem bei Brynja ist, dass wir zwar eine Lücke füllen, damit aber so neu so sind, dass es Stiftungen und Behörden schwer fällt uns einzuordnen.
Sie hätten auch ein Unternehmen gründen können.
Genau das wollten wir nicht. Es gibt genug Angebote für Menschen, die sich Selbstoptimierung leisten können.
Stimmt. Ich war jetzt in einer Krise ein paar Mal bei Brynja und habe gemerkt, ich buche keine Dienstleistung. Sondern … ich erlebe geteilte Freude?
Ja! Genau das ist es! Und du darfst deinen Schmerz mitbringen, der hat hier genau so Raum wie die Freude.
Eignet sich Brynja auch für Menschen in schweren psychischen Ausnahmesituationen?
Wir sind kein Ort für eine Akutbehandlung, das mussten wir auch schon ein paar Mal klar machen, wenn Menschen per Email angefragt haben. Wir sehen uns als begleitendes Angebot zu anderen Therapiemaßnahmen oder im präventiven Bereich.
22 Nov 2023
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