taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Luftig und dialektisch
Vor 15 Jahren spielte sie in einer Swingband. Heute ist die Multiinstrumentalistin Kiki Bohemia subtil noiseaffin unterwegs.
„[1][Those are not songs]“ heißt das neue Album von Kiki Bohemia. Wer verfolgt hat, wie experimentell und subtil noiseaffin die Sängerin und Multiinstrumentalistin in den letzten Jahren unterwegs war (und welche Sounds sie mit ihrem musikalischen Partner Sickerman kreiert: in der Pandemie etwa beglückten sie Hörer:innen mit „Cleansing Drones for Locked Down Homes“) mag die Ansage, die im Titel steckt, für bare Münze nehmen.
Doch weit gefehlt: Die vorgeblichen Nicht-Songs bestechen durch ein Songwriting, das bei allen Widerhaken zugänglich, fast eingängig wirkt. Experimentellere Sounds sind geschmeidig eingewebt: droniger Ambient etwa, in den man sich gerne fallen lässt.
Kiki Bohemia hat eine große Klangevolution hinter sich. Vor ihrem ersten Soloalbum „All The Beautiful“, erschienen vor 15 Jahren, spielte sie in einer Swingband. Bei dem Debüt, so erklärt sie heute, stand noch das Thema Resilienz im Mittelpunkt.
Diesmal gehe es ihr auch um Verletztlichkeit, um ein Sich-Öffnen-Können. Das passt zu einem Album, das dialektisch wirkt, ohne didaktisch daherzukommen. In den Songs schwingt Sehnsucht nach Katharsis mit – und doch haben sie oft ein luftige Anmutung.
Die braucht es vermutlich auch, wenn Kiki Bohemia zum Beispiel Impressionen von Till Lindemanns 40. Geburtstag einfließen lässt. Bei diesem Event jobbte sie seinerzeit an der Bar. Trotz des darken Textes behände leichtfüssig klingt der davon inspirierte Track „High In The Man Castle“. Ein Beispiel für in Musik verwandelte Ambivalenz, der man auf diesem spannenden Album oft begegnet.
6 Oct 2023
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