taz.de -- Überschwemmungen in Libyen: Regierung befürchtet Tausende Tote
Begleitet von heftigem Regen hat das Sturmtief „Daniel“ den Osten Libyens erfasst. Laut Rotem Kreuz und Rotem Halbmond werden etwa 10.000 Menschen vermisst.
Bengasi/Istanbul/Genf/Kairo afp/dpa/ap | Nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen ist die Zahl der Vermissten nach Angaben eines Vertreters des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds auf 10.000 gestiegen. Die Zahl der Toten dürfte in den kommenden Tagen auf mehrere Tausend steigen, sagte der Leiter der Libyen-Delegation beim Internationalen Verband der Gesellschaften des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds, Tamer Ramadan, am Dienstag.
Der Osten Libyens ist vom Sturmtief „Daniel“ und [1][heftigen Überschwemmungen] heimgesucht worden. Opfer gab es in der Küstenstadt Derna, der Region um die Küstenstadt Dschabal al-Achdar sowie in den Vororten der Stadt al-Mardsch, wie Behördenvertreter am Montag mitteilten. Der in [2][Ostlibyen herrschende Regierungschef Ussama Hamad] hatte dem Fernsehsender Amasar gesagt, er gehe von „mehr als 2.000 Toten und tausenden Vermissten“ allein in Derna aus.
Rettungs- und Sicherheitskräfte bestätigten, das Sturmtief habe erhebliche Schäden verursacht. Die an der Küste gelegene Großstadt Derna liegt 900 Kilometer östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis. 2018 wurde Derna [3][bei Kämpfen zwischen Truppen des im Osten mächtigen Generals Chalifa Haftar] und islamistischen Kämpfern schwer beschädigt.
Die Regenfälle ließen ein durch die Stadt führendes Flussbett über die Ufer treten. Wie auf von Medien verbreiteten Aufnahmen zu sehen war, überfluteten die Wassermassen zahlreiche an den Ufern gelegene Gebäude. Derna sei „Katastrophengebiet“, erklärte Regierungschef Hamad.
Ein Beamter des Stadtrats berichtete im TV-Sender Libya al-Ahrar vom Einsturz vier wichtiger Brücken und zweier Dämme in Derna. Er unterstrich die Notwendigkeit einer „nationalen und internationalen Intervention“. Der Chef des Präsidialrats, Mohamed al-Manfi, bat im Onlinedienst Facebook „brüderliche und befreundete Länder und internationale Organisationen“ um Hilfe.
Begleitet von heftigem Regen hatte das Sturmtief „Daniel“ am Sonntagnachmittag den Osten Libyens erfasst. Auch die Hafenstadt Bengasi war betroffen – dort wurde eine Ausgangssperre verhängt, die Schulen wurden geschlossen. Die Region war bereits seit Tagen von starken Regenfällen betroffen.
Nach Angaben der Behörden waren hunderte Menschen in schwer zugänglichen Gebieten von der Außenwelt abgeschnitten. Vom Militär unterstützte Rettungsteams versuchten, zu ihnen vorzudringen.
Im Osten Libyens befinden sich die größten Erdölfelder und Hafenterminals für den Ölexport. Die nationale Ölfördergesellschaft (NOC) verhängte angesichts der Überschwemmungen die höchste Alarmstufe und fuhr die Förderaktivität deutlich zurück.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach dem „libyschen Volk“ seine „Solidarität“ aus und erklärte, das Land mobilisiere Ressourcen, um Soforthilfe zu leisten. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, sprach den Betroffenen sein „Mitgefühl und Beileid“ aus und erklärte, Washington arbeite mit den Vereinten Nationen und den libyschen Behörden zusammen, um Hilfe zu leisten.
Experten drängen zu schneller internationaler Hilfe. Die Türkei organisierte inzwischen die Entsendung von Rettungskräften. Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, teilte der [4][türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan] auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) mit.
„Daniel“ war zuvor mit extremem Starkregen über Griechenland, die Türkei und Bulgarien hinweggezogen. Vor allem im griechischen Thessalien sorgte das Sturmtief für Überschwemmungen. Bis Sonntag meldeten die griechischen Behörden 15 Todesopfer, zwei Menschen wurden nach Angaben des Zivilschutzes noch vermisst. In der Türkei und Bulgarien kamen laut den Behörden zwölf zunehmenMenschen ums Leben.
12 Sep 2023
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