taz.de -- Die Finanzwelt und die Klimakrise: EZB ist für mehr Klimaaktivismus

Die Zentralbank warnt: Verzögerungen bei der Transformation führen zu höheren Risiken für die Finanzbranche.
Bild: Flutbassin bei einem Tropischen Sturm in Palm Desert, Kalifornien

Berlin taz | Eine schnellere Transformation ist nicht nur [1][gut fürs Klima], sie trägt auch zur Stabilität der Finanzwelt bei. Zögert die Politik weiter beim Klimaschutz, könnte dies nämlich die Kreditausfallrisiken für Banken massiv erhöhen, warnt die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem zweiten Klimastresstest, dessen Ergebnisse sie am Mittwoch veröffentlichte.

„Wir brauchen entschiedenere politische Maßnahmen, um einen schnelleren Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens zu gewährleisten“, forderte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Risiken und Kosten für die Wirtschaft und das Finanzsystem steigen“, so de Guindos.

[2][Einen ersten Klima-Stresstest] hatte die EZB vor zwei Jahren durchgeführt. Für den knapp 100 Seiten dicken Bericht analysierte die EZB nun, welche Auswirkungen unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Transformation auf die Wirtschaft in Euroraum haben könnten.

Dabei geht die Notenbank von drei Szenarien aus: erstens einem beschleunigten Übergang, bei dem Maßnahmen vorgezogen werden, zweitens einem verspäteten Übergang, bei dem erst ab 2026 das Tempo beschleunigt wird, mit dem aber noch die Pariser Klimaziele für 2030 erreicht werden, und drittens einem verzögerten Übergang, bei dem die [3][Klimaziele für 2030] nicht erreicht werden.

Firmen und Menschen profitieren von schneller Transformation

Ergebnis der Analyse: Unternehmen und Haushalte würden deutlich von einem schnelleren Übergang profitieren, da sich die vorgezogenen Investitionen in erneuerbare Energien früher auszahlen würden. Dabei geht die EZB davon aus, dass grüne Investitionen der Unternehmen bei einer beschleunigten Transformation bis zum Jahr 2025 auf zwei Billionen Euro steigen. Dagegen machen sie in den anderen beiden Szenarien lediglich 500 Milliarden Euro aus.

Weil die Unternehmen dadurch einen größeren Druck haben werden, den Investitionsrückstand aufzuholen, werden später insbesondere energieintensive Branchen unter Druck geraten. Dort wird die Verschuldung steigen, die Gewinne sinken doppelt so stark wie sonst üblich im Euroraum, prophezeit die EZB.

Letztlich wird dies auch Auswirkungen auf die Banken der Eurozone haben. Denn diese verleihen Kredite an die Unternehmen. Und wenn diese ins Wanken geraten, steigt auch das Kreditausfallrisiko für die Banken. Bei einem verspäteten Übergang könnte das Risiko laut EZB im Jahr 2030 doppelt so hoch sein wie im Jahr 2022. Dagegen ist das Risiko bei einer [4][beschleunigten Transformation] „nur“ um 60 Prozent größer.

6 Sep 2023

LINKS

[1] /Deutscher-Wetterdienst-zieht-Bilanz/!5953407
[2] /EZB-Pruefung-von-Europas-Geldinstituten/!5866391
[3] /Fossile-Staatshilfen-bremsen-Klimaschutz/!5957517
[4] /Fossile-Staatshilfen-bremsen-Klimaschutz/!5957517

AUTOREN

Simon Poelchau

TAGS

Klimaschutzziele
Banken
Europäische Zentralbank
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Zinsen
Schwerpunkt Europawahl
Kolumne Digitalozän
Haushalt
Klimaschutzziele
Schwerpunkt Klimawandel
Konjunktur

ARTIKEL ZUM THEMA

EZB führt Klimafaktor ein: Wie Zentralbanker die Natur retten wollen

Klima- und Naturkrise gefährden die Wirtschaft massiv. Die Europäische Zentralbank will gegensteuern. Kann sie das – und darf sie es überhaupt?

EZB kritisiert: Banken vernachlässigen Klimarisiken

Die Europäische Zentralbank warnt: Trotz Fortschritten sichern die Geldhäuser im Euroraum sich noch immer nicht genug ab.

EZB will den Leitzins senken: Wende erwartet

Nach zwei Jahren will die EZB Geld wieder billiger machen und den Leitzins von momentan 4,5 Prozent senken. Was das für die Wirtschaft bedeutet.

Klimaaktivist*innen für die EU: Wollen sie wirklich nach Brüssel?

Carola Rackete kandidiert für die Linken, auch die Letzte Generation will nach Brüssel. Den Abgeordnetenjob wollen nicht alle machen.

Alltagsgegenstände neu gedacht: Wer pflanzt den ersten Karten-Wald?

Tische, Böden und Regale aus Holz – das kennt ja jede:r. Warum nicht mal etwas ganz Neues wagen? Die neueste Idee hat allerdings einen kleinen Haken.

Debatte über Schuldenbremse: Geld ausgeben! Für die Jugend!

Wenn der Bund kaum Schulden aufnimmt, investiert er nicht genug in Klimaschutz, Arbeitsplätze und Soziales. Darunter leiden die Generationen von morgen.

Verfehlte Klimapolitik der Regierung: Die nächste Generation muss zahlen

Vor allem im Verkehr und bei den Gebäuden werden die Klimaziele klar verfehlt. Aber die Regierung ignoriert ihren eigenen Sachverständigenrat.

Verschärfung der Inflation: Klimakrise verteuert Lebensmittel

Hitze, Dürre und Fluten haben zu höheren Preisen für Orangensaft und Olivenöl geführt. Das Problem droht sich noch zu verschärfen.

Ökonom über Konjunkturprobleme: „Das ist der Weg zur Industrie 4.0“

Trotz Stagnation sei die Angst vor eine Deindustrialisierung unbegründet, sagt Ökonom Rudolf Hickel. Doch die EZB solle sich fürs Klima engagieren.