taz.de -- Ambientjazz-Trio Mammal Hands: Von Straßenmusik zum Naturklang

Das britische Trio hat sich zur atmosphärischen Meisterschaft aufgeschwungen. Mit dem Album "Gift from the Trees" kommt es auf Tour.
Bild: Die Slackline muss man sich dazu denken: Mammal Hands in deckungsgleichen T-Shirts

Dass die Brüder Jordan und Nick Smart ihren Bandkollegen, den Perkussionisten Jesse Barrett, ausgerechnet als Straßenmusiker in ihrer britischen Heimatstadt Norwich kennengelernt haben, wirkt angesichts ihres immersiven Sounds als Ambientjazz-Combo Mammal Hands umso erstaunlicher. Schließlich muss man beim Musizieren auf der Straße prompt eine Verbindung zum Publikum herstellen. Fürs langsame Hypnotisieren, wie es die Mammal Hands auf ihrem neuen Album „Gift From The Trees“ zelebrieren, bleibt da kaum Zeit.

2012 taten sie sich als Trio zusammen – Jordan am Saxofon, Nick am Klavier und Barrett an den Drums und der Tabla; die Smart-Brüder hatten vorher zusammen an einem Electronica-Projekt gewerkelt. Das Manchester Ravejazz-Fusion-Trio GoGo Penguin legte ihnen bald das Label Gondwana ans Herz, 2014 erschien da das Debütalbum „Animalia“.

Zu jener Zeit wurde die Band gerne mit dem Londoner Portico Quartet verglichen. Aber, „Gift from the Trees“ ist jetzt ein bemerkenswerter Schritt in Richtung Unverwechselbarkeit. Standen beim Vorgänger „Captured Spirits“ neoklassische Elemente etwas ungelenk neben jazzigen Momenten, verschmilzt diesmal alles nahtlos: zu einem organisch groovenden Ambient-Jazz-Klassik-Amalgam, in dem dank der indischen Perkussionselemente auch ein bisschen Weltgeist steckt.

Fern des Großstadt-Gewusels

Dieser Mischung meint man anzuhören, dass sie im ländlichen Norfolk, ganz im Osten Englands, entstanden ist, fern von [1][der danceflooraffinen Londoner Jazz-Szene] und dem großstädtischen Gewusel. Eher in der Natur oder zumindest mit Blick auf die Natur. Diese meditative, cineastische Musik ist wie gemacht für einen Soundtrack des Alltags, fürs Zugfahren oder zum Spazierengehen mit Kopfhörer.

Mammal Hands sind keines jener Jazz-Projekte, bei dem die Musiker versuchen, als Solisten zu glänzen und pausenlos Virtuosität ausstellen – auch wenn sie über diese definitiv verfügen, so leicht, luftig und zugleich beiläufig sie ihren Klangteppich gewebt haben. Vielmehr schaffen sie etwas Kollektives, in dem die verschiedenen Elemente ineinander aufgehen. Dabei gelingt ihnen ein bemerkenswerter Spagat. Die Tracks sind trotz ihrer hypnotisch-repetitiven, bisweilen fast Steve-Reich-haften Bauart höchst melodiös. Vielleicht liegt hier das Erbe ihrer Straßenmusiktage.

Ihre Tracks haben zudem etwas Schwelgerisches an sich: Etwa beim Auftakt „The Spinner“, in dem Nick Smart eine simple Tonfolge endlos wiederholt, den Song damit grundiert und ihm zugleich einen treibenden Rhythmus gibt, während sein Bruder mit dem Saxofon davonzufliegen scheint. Der Track „Riser“ lässt sich ein bisschen mehr Zeit, einen Kokon um die Gehörgänge der Hörer:innen zu spinnen, doch mit umso nachhaltigerem Ergebnis. Das Stück ist ein faustdicker Ohrwurm.

Frei improvisiert, aber kein Jamsessioncharakter

Mit „Gift from the Trees“, so erklärt das Trio, habe es versucht, die Essenz seiner mittlerweile legendären Konzerte einzufangen. Für die Arbeit an der Musik haben sie sich nicht in ein Studio gemietet, sondern ein eigenes eingerichtet, in dem die drei Künstler ungestört experimentieren können. Doch auch wenn das Album aus verdichteten Improvisations-Sessions entstanden ist: Wie eine Jamsession klingt es zum Glück nicht. Dazu ist es zu fokussiert. Wenn sich die Gelegenheit bietet: Bitte live angucken!

12 May 2023

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AUTOREN

Stephanie Grimm

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