taz.de -- Ausstellung „Exzentrische 80er“: Banden gebildet, Kunst geschaffen
Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe perplexum wurden vom Kunstbetrieb der 80er ignoriert. Eine Hamburger Ausstellung zeigt ihre Arbeiten.
Drehte sie sich um Männer, es gäbe diese Ausstellung nicht. Denn womit sie aufräumen soll, hat auch zu tun mit dem Geschlecht sowie mit den Rollen, die Männer und Frauen und alle anderen angeboten bekommen, aufgenötigt oder vorenthalten.
„Exzentrische 80er“ ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts zu drei Kunstbetriebsbeteiligten: Tabea Blumenschein (1952–2020), [1][Hilka Nordhausen (1949–1993)] und Rabe perplexum (1956–1996). Daneben erzählen die Kurator*innen Burcu Dogramaci, Ergül Cengiz, Philipp Gufler, Mareike Schwarz und Angela Stiegler auch von drei Städten: Berlin, Hamburg und München waren jeweils home base der drei Beforschten. Es sind die Orte, an denen [2][die Ausstellung gezeigt wird]; Hamburg ist dritte und letzte Station.
Die oft auf ihre Musenhaftigkeit reduzierte Blumenschein war Teil der Gruppe „Die tödliche Doris“, aber auch bildende Künstlerin, Regisseurin, Schauspielerin, Kostümbildnerin; Nordhausens „Buch Handlung Welt“ bildete im Hamburger Karolinenviertel ab 1976 einige Jahre lang einen Kristallisationspunkt für eine [3][interdisziplinär kreative Bohème]; Aktionskünstler*in Rabe perplexum inszenierte sich immer wieder selbst als artifizielle Figur, war aber auch vorne dran beim künstlerischen Erproben etwa von Computertechnik: Es ist keine Verwandtschaft im Ergebnis, die diese drei verbindet, sondern eine des Wegs, der Methode.
Für Formen der Zusammenarbeit, das Schaffen von Netzwerken, ja: für Kompliz*innenschaft interessiert sich die enorm materialreiche Ausstellung, die auch Exponate aus dem [4][Bremer Tödliche-Doris-Archiv] nutzt. Strategien also, die teils nötig wurden, weil das Tun der drei „außerhalb des Wahrnehmungsradius eines auf einzelne, meist männliche Protagonisten zentrierten Kunstmarkts und einer damit assoziierten Kunstgeschichtsschreibung“ statt gefunden hatte.
Vom selbst geschneiderten Kostüm bis zum bemalten Gebrauchskarton, vom Flackervideo zum fotokopierten Gedicht: Unterbelichteter Kunstgeschichte Aufmerksamkeit zu bescheren, ist hier das eine. Erkennbar geht es der Ausstellung aber auch um Bezüge ins Heute. Die Kuratierenden kommen selbst aus der Praxis, in der das Arbeiten „in Konstellationen“ wieder beliebt sei. Aber auch mit den ihm eigenen Risiken daherkomme: keine Gruppe ohne Hierarchien, Abhängigkeiten, Konkurrenzen.
Auf andere Weise heutig: die Gentrifizierung und ihr wechselhaftes Verhältnis zu den Kreativen. Das Hamburger Karolinenviertel gibt es noch, aber es ist ein anderes als damals um Nordhausens Laden herum. Als [5][hamburgspezifische Erweiterung] des Begleitprogramms stillen unter dem Titel „Nukleus Karoviertel“ Lesungen, Filme und Rundgänge auch spezielleres Interesse am lange umkämpften Quartier – auch mit ein klein wenig sublokaler Subkultur-Nostalgie.
28 Apr 2023
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