taz.de -- Film Noir „Bis ans Ende der Nacht“: Schwuler Macho liebt trans* Frau
In Christoph Hochhäuslers Film Noir „Bis ans Ende der Nacht“ wollen ein Ermittler und eine trans* Frau einen Kriminellen fangen.
Es beginnt mit einer leeren, weißen Wohnung. Sie wirkt wie eine Leinwand, die es noch zu füllen gilt. Es geschieht umgehend: In Zeitraffer wird sie vollgestellt, die Wände werden in schweren Erdtönen gestrichen, persönliche Gegenstände drapiert. Aus der Leinwand ist eine fertige Kulisse geworden.
Im doppelten Sinne: Ein Großteil von Christoph Hochhäuslers sechstem Spielfilm, der den Wettbewerb der Berlinale abschließt, wird sich darin abspielen. Für die beiden Protagonisten wird sie zum Bühnenbild eines abgefeimten Schauspiels – vor ihren Freunden, voreinander, vielleicht vor sich selbst.
Erst einmal ist alles da, um „Bis ans Ende der Nacht“ zu einem mustergültigen und doch zeitgemäßen und originären Film noir zu machen: Im schmutzigen Halbdunkel und zu melancholischen deutschen Chansons treffen der abgetakelte Ermittler Robert (Timocin Ziegler) und trans* Frau Leni (Thea Ehre) aufeinander.
Letztere wird durch einen dubiosen Deal frühzeitig aus dem Männergefängnis entlassen, um bei der Festnahme des kriminellen Kopfs eines Online-Drogenkartells (Michael Sideris) zu helfen. Sie dealte einst selbst für ihn. Robert und Leni täuschen nun eine Beziehung vor, um sich dem Großdealer Victor zu nähern.
Was empfindet Leni für Robert?
Kompliziert wird die Sache dadurch, dass Ermittler und Köder doch mehr verbindet als ein Plan. Fühlt sich Robert als schwuler Macho dadurch verunsichert, dass er Leni, die nun eine Frau ist, begehrt? Liebt er Leni eigentlich, hadert aber gerade damit, dass er sie körperlich nicht (mehr) anziehend findet? Und was empfindet Leni für Robert, den sie vor ihrer Haftstrafe, und vor den medizinischen Eingriffen, kennenlernte?
Florian Plumeyers Drehbuch wagt sich an eine intrikate Beziehungskonstellation und Genderfragen, die es so im deutschen Genrekino beinah noch nie zu sehen gab. Leider verliert es sich in uninteressanten Nebenschauplätzen, was einen Plot, für den es ohnehin keine Überlänge gebraucht hätte, zusätzlich lähmt.
Schlimmer noch sind einige schwache schauspielerische Leistungen, die besonders in affektiert wirkenden Zwiegesprächen deutlich werden. Dass das genretypische Abgewracktsein der Figuren aus nahezu jeder Dialogzeile spricht, scheint ein bewusst gesetztes Stilmittel zu sein.
Es führt jedoch dazu, dass „Bis ans Ende der Nacht“ bald wie die Karikatur eines Film noir wirkt. Thea Ehre als einnehmende Femme fatale immerhin ist ein Ereignis.
25 Feb 2023
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