taz.de -- Sudans neues Regierungsabkommen: Unter schlechten Vorzeichen

Die sudanesische Demokratiebewegung hat bisher international zu wenig Unterstützung erfahren. Das muss sich dringend ändern.
Bild: Ihm misstrauen die Demokratieaktivist:innen: Armeechef General Abdel-Fattah Burhan (Mitte)

Sudans Dauerkrise ist in Vergessenheit geraten. Fast vier Jahre ist es her, dass eine Erhöhung der Getreidepreise verzweifelte Menschen auf die Straße trieb und sich daraus eine Massenprotestbewegung entwickelte, die wenige Monate später einen der brutalsten und langlebigsten Diktatoren der Welt das Amt kostete.

Der Freiheitskampf der Sudanesinnen und Sudanesen, die millionenfach den Gewehren und der Unterdrückung trotzten, ist international nicht angemessen gewürdigt worden. Vielmehr hat die Weltgemeinschaft Sudans Demokratiebewegung zum Kompromiss mit den Schlächtern gedrängt und dann tatenlos zugesehen, wie Letztere die Vereinbarungen zur Demokratisierung in die Tonne treten. Ein unwürdiges Schauspiel.

Nun also gibt es einen dritten Anlauf, endlich auf dem Verhandlungsweg die Militärherrschaft in Sudan zu überwinden. Kann es diesmal klappen? Es müssen dafür nicht nur freie Wahlen in zwei Jahren vereinbart werden. Es muss auch tatsächliche Freiheit einkehren, es muss [1][mit Gewalt als Machtmittel ein Ende haben] und die unzähligen lokalen [2][Konflikte von Darfur] bis zu den Nuba-Bergen, zumeist Hinterlassenschaften der finsteren [3][Bashir-Diktatur], müssen überwunden werden.

Diese Agenda ist viel zu komplex für einige wenige Jahre, und aus guten Grund misstrauen viele Vorkämpfer für Demokratie in Sudan dem neuen Abkommen, weil sie den Generälen grundsätzlich nicht trauen. Überwunden werden kann die Blockade nur mit engagierter internationaler Begleitung mit einem langen Atem. Leider ist dies in Sudan ebenso wenig gegeben wie in den Nachbarländern Libyen, Südsudan und Äthiopien.

Der nordostafrikanische Krisenbogen, in dem es zwischen autoritärer und gar keiner Herrschaft keinen Mittelweg mehr zu geben scheint und internationale Partner Passivität mit Konfliktlösung verwechseln, bleibt bestehen. Aber immerhin: Wichtige Machthaber Sudans haben sich schriftlich zu ihrer Entmachtung verpflichtet. Ein Anfang ist gemacht. Man kann schon froh sein, wenn er nicht in sich bereits sein Ende trägt.

6 Dec 2022

LINKS

[1] /Ruecktritt-im-Sudan/!5825588
[2] /Darfur-Sudan-Konflikt/!5844625
[3] /Sudans-Ex-Diktator-Omar-al-Baschir/!5788399

AUTOREN

Dominic Johnson

TAGS

Sudan
Militärdiktatur
Getreide
Nordafrika
Sudan
Sudan
Abraham
Protest
Sudan
Sudan

ARTIKEL ZUM THEMA

Gefechtsfeuer in Sudans Hauptstadt: Dutzende Tote nach Gefechten

In Sudan eskaliert die Gewalt zwischen Militär und paramilitärischen Kräften. Die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg wächst.

Gefechtsfeuer in Sudans Hauptstadt: Unklare Lage in Khartum

Der Versuch, eine Zivilregierung zu bilden, steckt fest. Jetzt sollen sich das sudanesische Militär und die paramilitärische RSF laut Berichten Gefechte liefern.

Israels Außenminister besucht Sudan: Normalisierung schreitet voran

Israel und Sudan wollen ein historisches Abkommen unterzeichnen. Der Prozess lief bereits an, wurde aber vom Militärputsch in Sudan unterbrochen.

Diplomat Perthes über Militärputsch: „Sudan steht am Abgrund“

Der deutsche Diplomat Volker Perthes ist UN-Beauftragter für Sudan. Er berichtet, wie schwierig das Militär den Übergang zur Demokratie macht.

Tote und Verletzte in Khartum: Blutige Eskalation im Sudan

Sudans Armee tötet mindestens fünf Demonstranten in Khartum. Die Protestbewegung ruft einen unbegrenzten „Lockdown“ aus.

Premier tritt ab nach neuen Protesten: Sudans „Jahr des Widerstands“

In Sudans Hauptstadt formieren sich neue Demonstrationen gegen das Militär. Nun ist Regierungschef Hamdok zurückgetreten.