taz.de -- Anschlussmodell für 9-Euro-Ticket: Einen Halt weiter

Der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses gibt 105 Millionen Euro frei, um ein 29-Euro-Ticket ab Oktober möglich zu machen.
Bild: Senatorin Jarasch verteidigte das geplante 29-Euro-Ticket gegen Vorwürfe, zu ungenau zu entlasten

Berlin taz | Das vom rot-grün-roten Senat angestrebte Billigticket für 29 Euro monatlich kann kommen – falls an diesem Donnerstag auch der Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) zustimmt. Das nötige Geld, um den dadurch entstehenden [1][„Erlösschaden“ von 105 Millionen Euro] bei BVG und S-Bahn zu decken, hat der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch schon freigegeben.

Fast Seite an Seite kritisierten in der Ausschusssitzung die mitregierende Linkspartei und die oppositionelle FDP, dass das Ticket zu wenig zielgenau entlaste. Steffen Zillich (Linkspartei) sprach mit Blick auf das [2][Sozialticket, das unverändert 27,50 Euro kosten soll], von einer Schieflage, die „so schnell es geht“ gerade zu rücken sei.

Für FDP-Haushaltsexpertin Sibylle Meister geht das Ticket zu sehr in die Breite: „Nicht entlasten muss man die, denen es gut geht.“ Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) verteidigte das Angebot: „Es hilft genau den Richtigen.“

Meister fand das Ticket auch verkehrspolitisch nicht sinnig: Ein billiges Ticket nutze nichts, wenn das Angebot nicht ausreiche – „so komme ich doch nicht zur Mobilitätswende.“ Die FDP-Politikerin geht davon aus, dass das auf drei Monate geplante 29-Euro-Ticket nicht zum Jahresende ausläuft, sondern den Landeshaushalt dauerhaft mit 400 Millionen Euro pro Jahr belastet. „Für diese 400 Millionen Euro hätten wir das Märkische Viertel an die U-Bahn anschließen können“, kritisierte Meister.

Von der SPD-Fraktion hingegen gab es ausdrücklich Lob für den Senat um Parteifreundin und Regierungschefin Franziska Giffey: Der hat für Haushaltsexperte Torsten Schneider das Ticket „in sehr großer konzentrierter Eile“ auf den Weg gebracht. Dafür hielt er „einen ausdrücklichen Dank“ für angemessen.

Das Ticket gibt es nicht am Automaten

Das Billigticket, so ist der Vorlage der Senatsverwaltung zu entnehmen, soll nicht wie das 9-Euro-Ticket am Automaten zu kaufen sein, sondern nur als Abonnement, das nicht automatisch am Jahresende ausläuft. Abonnenten sollen sich entscheiden können, ob sie nach den drei Billig-Monaten kündigen oder ihr Abo über das bislang geltende und mit knapp 63 Euro rund doppelt so teure Umweltticket fortführen. Möglich soll auch sein, in das bundesweite Nahverkehrsticket zu wechseln, das Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) [3][ab 1. Januar in Aussicht gestellt hat].

14 Sep 2022

LINKS

[1] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/Haupt/vorgang/h19-0540-v.pdf
[2] https://www.bvg.de/de/tickets-und-tarife/alle-tickets/zeitkarten/berlin-ticket-s
[3] /Verkehrsminister-ueber-9-Euro-Ticket/!5878935

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

9-Euro-Ticket
Bettina Jarasch
Abgeordnetenhaus
Berlin
Bettina Jarasch
Franziska Giffey
Franziska Giffey
9-Euro-Ticket
9-Euro-Ticket

ARTIKEL ZUM THEMA

Abgeordnetenhaus: Wahlkampf geht immer

Im Parlament findet die SPD selbst beim wenig strittigen Thema von in der Krise drohender Wohnungslosigkeit einen Weg, gegen die Grünen zu sticheln.

Parlament diskutiert 29-Euro-Ticket: Grüne pochen aufs Urheberrecht

Bei der Abgeordnetenhausdebatte zum neuen Angebot für Bus und Bahn drängt die Linkspartei erneut darauf, das Sozialticket billiger zu machen.

9-Euro-Nachfolgeticket: Freie Fahrt für 29 Euro

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg nickt die Pläne des rot-grün-roten Senats ab. Das Ticket soll nur im Abo möglich sein und im Oktober starten.

Senat hofft auf Verkehrsverbund: Mit einem Euro am Tag unterwegs

Ob es in Berlin tatsächlich einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket geben wird, entscheidet sich Donnerstag. Kosten würde es 29 Euro.

Trotz Giffey-Telefonats mit Woidke: Ländernachbarn weiter im Clinch

Der Senat will ein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket notfalls auch ohne Brandenburg durchziehen. Donnerstag sollen sich alle Beteiligten treffen.

Nachfolge für 9-Euro-Ticket: Berlin will das 9-Euro-Ticket

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch und Bürgermeisterin Giffey wollen eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket. Jarasch will Dienstwagenprivileg beschneiden.