taz.de -- Protest für Geflüchtete aus Drittstaaten: Besetzer*innen kapern Grünen-Büro
In Hamburg hat eine Gruppe die Grünenfraktion besetzt. Sie will auf Menschen aufmerksam machen, die ohne ukrainischen Pass vor dem Krieg flohen.
Hamburg taz | knapp 20 Aktivist*innen eines neu gegründeten Aktionsbündnisses „Sicheres Bleiberecht“, haben am Montagmorgen das Büro der Grünenfraktion Hamburg in der Burchardstraße besetzt. Grund hierfür ist die ihrer Meinung nach prekäre Lage geflüchteter Menschen, die ohne ukrainische Staatsangehörigkeit vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen sind. Einige von ihnen wurden sogar a[1][us ihren Unterkünften in Hamburg geworfen], wie die taz berichtete.
Darauf wollen die Aktivist*innen hinweisen. Sie rufen „Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“, als sie durch das Treppenhaus zum Büro der Grünenfraktion stürmen. Sie wollen die Grünen dazu bewegen, sich als Koalitionspartei intensiver für die Betroffenen einzusetzen. Doch erst einmal bleibt die Tür zum Büro zu.
Die Aktivist*innen rollen Transparente und Schlafsäcke im Flur aus. „No second class refugees“ steht auf einem der Laken. Es gebe eine ungleiche Behandlung weißer und schwarzer Geflüchteter, sagt eine Aktivistin, die vor der Glastür steht und nach den Mitarbeiter*innen Ausschau hält.
Als 20 Minuten später die Abgeordnete Miriam Putz durchs Treppenhaus kommt und die Tür aufschließt, drücken sich die Besetzer*innen an ihr vorbei. Das Vorgehen habe sie als aggressiv empfunden, sagt Putz hinterher. Verletzt wurde aber niemand.
Die Ausweisung droht
„Wir möchten mit dieser Aktion erreichen, dass die Hamburger Politiker endlich Verantwortung für [2][alle aus der Ukraine Geflüchteten] übernehmen und auch den vor dem Krieg geflohenen Menschen aus Drittstaaten“, sagt Karla Köthnig, Mitglied der Initiative „Omas gegen Rechts“. Auch sie ist bei der Besetzung dabei.
Köthnig habe Kontakt zu [3][betroffenen Menschen aus Drittstaaten,] die durch Mitarbeiter*innen der Behörden diskriminierend und willkürlich behandelt würden. Ihnen drohe am 31. August die Ausweisung aus Deutschland. Dann läuft ihre Aufenthaltsgenehmigung ab (siehe Kasten). Es bestehe also Zeitdruck. Es sei daher notwendig, dass sich die Politiker*innen mit dieser Thematik auseinandersetzten, sagt Köthnig.
Im Büro hissen die Besetzer*innen Banner aus dem Fenster und sitzen im Aufenthaltsraum der Grünen auf Stühlen, Tischen und dem Boden. Zwei Stunden geht das so, dann suchen die Grünen das Gespräch: Dominik Lorenzen, der Fraktionsvorsitzende, kam für den unerwarteten Besuch extra ins Büro, fühlte sich dann aber doch nicht kompetent genug und holte Michael Gwosdz, den Fachsprecher für Flucht und Religion der Grünen dazu.
Tatsächlich versuchte Gwosdz auf die Forderungen der Besetzer*innen einzugehen: „Innerhalb der Koalition arbeiten wir intensiv daran, dass Menschen, die aus der Ukraine nach Hamburg gekommen sind, aber keine ukrainischen Staatsbürger*innen sind, wie Ukrainer*innen Aufenthaltsmöglichkeiten erhalten können“, sagte Gwosdz.
Innebehörde hat Fehler eingeräumt
Die Aktivist*innen hatten verlangt, dass Geflüchtete ohne ukrainischen Pass mindestens zwei Jahre bleiben dürfen. Außerdem machten sie Gwosdz auf diskriminierendes und willkürliches Verhalten von Mitarbeiter*innen der Innenbehörde aufmerksam.
Gwosdz selbst sagte, er habe schon einige Tage zuvor von willkürlichen Ausweisungen durch die Behörden erfahren und die Sozialbehörde sowie die Innenbehörde damit konfrontiert. Diese hätten ihm gegenüber einige Fehler eingeräumt und sich um die weitere Unterbringung der Geflüchteten gekümmert. In Zukunft wolle sich die Partei „für möglichst einheitliche, handlungsleitende Verfahren einsetzen, die eine korrekte und faire Behandlung sicherstellen“, sagte Gwosdz.
Aktivistin Köthnig ist mit dem Verlauf des Gespräches nur bedingt zufrieden: „Ich habe zwar das Gefühl, es bewegt sich etwas, aber es ist alles ohne konkretes Ergebnis“. Die Besetzer*innen zogen gegen 17 Uhr trotzdem friedlich wieder ab.
23 Aug 2022
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