taz.de -- Iranerinnen dürfen ins Stadion: Symbolpolitik und Errungenschaft

Dass Iranerinnen nun zu einem Ligaspiel durften, sollte niemand überbewerten. Dennoch ist es ein echter Sieg, den sie über Bande holten.
Bild: Frauen und Fußball im Iran: Bald nicht nur als Spielerin im Park sondern auch als Zuschauerin im Stadion?

Nach über 40 Jahren ist die derzeit [1][berühmteste Barrikade des Frauenhasses im Fußball] endlich gefallen. Jedenfalls vorläufig und punktuell. Frauen durften im Iran am Donnerstagabend erstmals wieder zu einem Männerfußball-Ligaspiel ins Stadion gehen. Womöglich werde der Versuch ausgeweitet, versprach vage das Sportministerium. Der Topklub Esteghlal Teheran („die Unabhängigkeit“) im Asadi-Stadion („die Freiheit“) – welche Ironie für die Frauen.

Denn natürlich schauen sie nicht als gleichwertige Fans zu, sondern in einem abgetrennten Bereich als schützenswerte Kreaturen. Ihr Zutritt ist symbolisch enorm wichtig und darf zugleich nicht überbewertet werden. Die iranische Führung versteht sich gut darauf, [2][mit ein wenig Symbolpolitik abzuwiegeln], während sich an der Unterdrückung von Frauen in der Gesellschaft nichts ändert. Ob der Stadionbesuch ein dauerhaftes Recht wird, ist zudem längst nicht gesagt. Auch zu den offiziell erlaubten Länderspielen [3][wurde Frauen noch dieses Jahr der Eintritt willkürlich verweigert].

Ein Sieg über Bande

Dennoch ist dieser Donnerstagabend ein Sieg über Bande für die Iranerinnen: [4][Iranische Aktivistinnen kämpften über Jahre] und erstritten damit die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft im Ausland, die den Druck wiederum an die Fifa weiterreichte. Die stand als Monopolist unter Zugzwang. Nun muss der Druck hoch bleiben, um aus einem Einzelfall ein Recht zu machen.

Zuletzt wurde in der taz [5][laut über den Blick „des Westens“ auf iranische Frauen gestritten]. Tatsächlich ist der auch im Fußball oft kolonial naiv: orientiert an Greifbarem wie Zutritt zu Stadien und mit einem plakativen Weltbild vom vermeintlich freien Westen gegen die Autokratie. Man muss nur die kläglichen Zuschauerzahlen im deutschen Frauenfußball oder die Frauenanteile in Stadien weltweit betrachten, um zu verstehen, wie mächtig das Patriarchat überall wirkt. Freiheit von Teilhabeverboten macht Menschen weder frei noch gleich. Und doch kann nur diese Freiheit zur Gleichheit verhelfen. Für weibliche Fans bedeutet dieser Stadionbesuch die Welt. Wer will ihnen absprechen, etwas Großes errungen zu haben?

25 Aug 2022

LINKS

[1] /Stadionbann-fuer-Frauen-im-Iran/!5625466
[2] /Frauen-in-iranischen-Fussballstadien/!5629051
[3] /Wieder-Stadionverbot-fuer-Frauen-im-Iran/!5841768
[4] /Stadionbann-fuer-Frauen-im-Iran/!5623448
[5] /Frauenrechte-im-Nahen-Osten/!5871743

AUTOREN

Alina Schwermer

TAGS

Stadionverbot
Fußball
Schwerpunkt Iran
Feminismus
Schwerpunkt Iran
Kolumne Frühsport
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran
Schwerpunkt Iran
Frauenfußball
Frauenrechte

ARTIKEL ZUM THEMA

Sport im Iran: Mullahs spielen nicht

Unterdrückung von Athleten und Athletinnen ist nichts Neues in Iran. Doch auch im Sport stellt sich nun die Machtfrage.

Iranische Fußballer gegen die Regierung: Auf der Seite der Unterdrückten

Am Protest der iranischen Fußballer zeigt sich die subversive Macht des Sports. Das Schweigen der Fifa dagegen ist gewohnt staatstragend.

Nach Tod einer Frau in Iran: Proteste ohne Kopftuch

In Iran ist eine Frau gestorben, die zuvor wegen ihres „unislamischen“ Outfits festgenommen wurde. Bei Demonstrationen legen Frauen ihre Kopftücher ab.

Atomabkommen Iran: Re: Re: Re: Finaler Vorschlag

Der Iran hat den von der EU-Vorschlag zum wiederbelebten Nuklearabkommen kommentiert. Die USA nennt die Anmerkungen „nicht ermutigend“.

Wieder Stadionverbot für Frauen im Iran: Eigenmächtige Hardliner

Im Iran wird Frauen unter Einsatz von Tränengas der Besuch des WM-Qualifikationsspiels gegen den Libanon verwehrt. Nun droht der WM-Ausschluss.

Asien-Cup mit iranischen Fußballerinnen: Größter Gegner im eigenen Land

Irans Fußballerinnen sind erstmals beim Asien-Cup dabei und mussten dafür zahlreiche Widerstände überwinden. Zum Auftakt spielen sie gegen Indien.

Frauen in iranischen Fußballstadien: Ein Bonbon von den Mullahs

Nach langen Kämpfen durften Frauen im Iran nun ausnahmsweise live Fußball sehen. Ein Erfolg, ja. Aber ein sehr kleiner.