taz.de -- Konjunkturaussichten in Deutschland: Vor dem Absturz

Die Wirtschaftsaussichten sehen wegen Inflation und Energiekrise düster aus. Aber die ausgesetzte Schuldenbremse bietet Spielräume für Entlastungen.
Bild: Das Thermostat lieber auf die 2 drehen, dann wird es nicht so teuer

Es ist nicht alles schlecht in Deutschland – das legen die aktuellen ökonomischen Daten nahe. Immerhin hat die Wirtschaftskraft trotz Krieg und Inflation im vergangenen Quartal wieder mit einem kleinen Wachstumslupfer [1][das Niveau der Zeit vor der Coronapandemie erreicht].

Der Arbeitsmarkt ist stabil, die Steuereinnahmen besser als gedacht, die Pandemie hat sich vorerst abgemildert. Nun sieht es angesichts der Energiekrise, des Inflationsmonsters und weiter stockender Lieferketten ziemlich zappenduster für die kommenden Monate aus. Die Rezession ist für ÖkonomInnen ein done deal, also gesetzt.

Viel hängt tatsächlich vom Wetter ab. Die Folgen für einzelne Branchen, falls dort infolge eines harten Winters staatlicherseits der Gashahn abgedreht wird, sind kaum abschätzbar; Dominoeffekte drohen. Fast noch gefährlicher sind die Folgen der historisch hohen Preisanstiege. Wer geht schon auf Shoppingtour, wenn die Energiepreise von 200 auf 800 Euro im Monat (grobe Schätzung für eine vierköpfige Familie mit Gasheizung und -herd im Altbau) anziehen?

Wladimir Putin freut’s – er wird weiterhin versuchen, die Panikpreise in die Höhe zu jazzen. Leider zocken derzeit auch Firmen ihre KundInnen mit Preisaufschlägen ab, die gar nicht so viel Energie benötigen – fällt ja nicht so auf. Die [2][für hiesige Verhältnisse rasende Geldentwertung] ist Gift pur für das Konsumklima: Nicht nur wirtschaftlich schwache Menschen, auch die sogenannte Mittelschicht schaltet angesichts der ungewissen Zukunft auf Sparmodus um.

Und die Ampel? Arbeitet in der Causa auch auf Sparflamme. Es ist unfassbar, wie ein sozialdemokratischer Kanzler [3][durchs ewige Schmieden von Ausgleichspaketen] eine derartige Verunsicherung erzeugt. Die Opposition ist happy. Klar ist: Im Etat 2022 stecken Megaspielräume. Problemlos kann die Regierung die noch geltende Notfallsituation bei der Schuldenbremse für kräftige, kreditfinanzierte Zuschüsse an Privathaushalte nutzen – etwa für eine neue Energiepauschale.

26 Aug 2022

LINKS

[1] /Drohende-Wirtschaftskrise/!5873736
[2] /Energiekrise-und-Inflation/!5875800
[3] /Stark-steigende-Preise/!5872995

AUTOREN

Kai Schöneberg

TAGS

Energiekrise
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Energiepreise
Inflation
Gasknappheit
GNS
Energiekrise
Energiekrise
Energie
Inflation
Corona Live-Ticker

ARTIKEL ZUM THEMA

Energiekrise im Winter: Scholz sieht Deutschland gerüstet

In Meseberg zeigt sich der Kanzler zuversichtlich, dass die Energieversorgung gesichert ist. Er versprach zudem „sehr bald“ weitere Entlastungen.

Ökonom über Inflation und Sozialpolitik: „Wir haben eine unsoziale Inflation“

Steigende Preise, miese Löhne, geringe Sparquote: Wir sind in einer sozialen Notlage, sagt Ökonom Marcel Fratzscher. Daran sei auch der Staat Schuld.

Kühnert fordert schärfere Kriterien: Ampel im Clinch wegen Gasumlage

Auch Vertreter der Ampel drängen Habeck zu Änderung: Profitable Konzerne sollen die von Kunden bezahlte Umlage nicht in Anspruch nehmen dürfen.

Rekordplus bei den Erzeugerpreisen: Inflation droht weiter zu steigen

Die Erzeugerpreise sind so stark nach oben geschossen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Bald spüren das auch die VerbraucherInnen.

+++ Corona News vom 30. April +++: Rezession in Eurozone befürchtet

EZB-Präsidentin Lagarde befürchtet Rezession in Eurozone. RKI rät zu Vorsorgeuntersuchungen. Die Nachrichten zum Coronavirus im Live-Ticker.