taz.de -- „Tatort“ aus Mainz: Hört es je auf?

Ein junger Mann, eine ältere Frau – kann das Liebe sein? Die Mainzer „Tatort“-Kommissarin zweifelt. Vor allem, weil eine große Erbschaft im Spiel ist.
Bild: Martin Rascher (Sebastian Blomberg) und Ellen Berlinger (Heike Makatsch)

„In welchem Alter hört das sexuelle Verlangen eigentlich auf? Hört es je auf?“ Das sind die zentralen Fragen des „Tatorts“ diese Woche. Die [1][Mainzer Kommissar:innen] Ellen Berlinger (Heike Makatsch) und Martin Rascher (Sebastian Blomberg) lassen sie jedenfalls nicht los. Denn die ältere und dazu noch wohlhabende Bibiana Dubinski (Ulrike Krumbiegel) ist in ihrer Villa an einer Überdosis Insulin gestorben. Suizid? Ein Unfall?

Ellen Berlinger glaubt lieber ihrer Intuition. Nur ein Blick und ein Tattoo am Ellenbogen reichen dafür aus. Ihr Verdacht: Hannes Petzold (Klaus Steinbacher). Ein junger, sportlicher Mann, der dazu auch schon im Gefängnis saß. Und nun total verliebt eine Beziehung mit der über dreißig Jahren älteren Alleinerbin und Freundin Dubinskis, Charlotte Mühlen (Michaela May), eingegangen ist?! Für sie ist der Fall eindeutig. Berlinger hat zwar nichts gegen Petzold in der Hand. Aber da geht doch eindeutig etwas nicht mit rechten Dingen zu.

Denn – so erklärt es uns die ehemalige Freundin der Verstorbenen, Charlotte Mühlen – wenn ein Mann eine Frau ehelicht, die seine Tochter sein könnte, dann ist das „spätes Liebesglück“. Aber wenn einer „alten Schachtel wie ihr“ das widerfährt, geht es nur ums Geld.

Alles nur Vorurteile?

Alles nur Vorurteile der Mainzer Kommissarin? Beweise gibt es jedenfalls kaum und deswegen hat Staatsanwältin Jasmin Winterstein (Abak Safaei-Rad) den Fall auch eigentlich schon eingestellt. Die Zeit ist knapp. Mit vollem Körpereinsatz, Verletzungen in Kauf nehmend und bis tief in die Nacht – wie man das von guten Kriminalbeamten erwartet – arbeiten die beiden, solange es geht, dann doch weiter an dem Fall.

Damit es spannend bleibt, wird viel in der Zeit gesprungen. Ansonsten finden sich alle Elemente eines klassischen „Tatorts“ wieder: Der [2][Struggle der Kommissarin] steht im Mittelpunkt, persönliche Verstrickungen der Staatsanwältin kommen vor, zudem die Darstellung der Jugend aus Sicht der piefigen Mittelschicht und ein verkrampft-offener Umgang mit Sexualität.

Dabei wird auch irgendwann im „Tatort“ klar: Ja, tatsächlich, auch ältere Damen haben noch Sex – und was für welchen! Außerdem bleibt hängen: Auch wenn man als Kommissarin nur einer bloßen Intuition folgt, gegenüber dem Verdächtigten ist alles erlaubt. Erst recht, wenn dieser eine krimineller Vorgeschichte hat. Dann gelten grober Umgangston und die Verdächtigen unter Druck zu setzen als legitime Mittel, um ans Ziel zu kommen.

26 Jun 2022

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Ruth Lang Fuentes

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