taz.de -- Nach dem Amoklauf in Texas: Recht des Stärkeren
Die US-Waffenlobby argumentiert mit der Freiheit der Bürger, sich zu verteidigen. Rechtsterroristen nehmen sich diese Freiheit und töten Menschen.
Freiheit – der Schlüsselbegriff der US-Waffenlobby. „Come Stand With Us – It's patriots like you that help us preserve our uniquely American freedom.“ So wirbt der „[1][Ring of freedom]“ der National Rifle Association (NRA) um Unterstützung. „Patrioten wie Ihr helfen uns dabei, unsere einzigartige amerikanische Freiheit zu bewahren.“ Die Freiheit, Waffen zu kaufen, Waffen zu tragen, sich mit Waffen zu verteidigen. Wogegen? Das liegt im Auge des freiheitlichen Betrachters.
Erst Mitte Mai [2][erschoss ein weißer Rassist in Buffalo zehn schwarze Menschen], angetrieben vom Mythos über einen “Großen Austausch“, ausgestattet mit Waffen, die er frei kaufen konnte. Die üblichen Überprüfungen hinderten ihn nicht. Der Rechtsterrorist nahm sich diese einzigartige Freiheit – und seinen Opfern das Leben.
Wie frei kann aber eine Gesellschaft sein, in der Menschen Angst haben müssen, von Rassisten, Incels oder anderen Fanatikern erschossen zu werden? Strengere [3][Waffengesetze] verhindern nicht jeden Anschlag, wie rassistische und antisemitischen Attacken in Deutschland zeigen, aber erschweren sie deutlich. Die Freiheit ist keineswegs eingeschränkt, weil nicht jeder ein Sturmgewehr im Laden kaufen kann. Im Gegenteil, sie ist besser geschützt vor ihren Feinden.
Die NRA und andere Konservative haben es geschafft, ein Gleichheitszeichen zu setzen zwischen Freiheit auf der einen und Egoismus sowie Rücksichtslosigkeit auf der anderen Seite. Mit Freiheit für alle hat das aber wenig zu tun, denn beispielsweise mit der Zensur von Literatur über geschlechtliche Diversität haben die selbsternannten Freiheitshelden keine Probleme.
Die politische Linke hingegen hat den Begriff der Freiheit leichtfertig aufgegeben. Es ist ihr verlorener Diamant. Sie war für die Freiheit der Menschen eingetreten, um sie aus der Abhängigkeit zu holen und sie erst zu handlungsfähigen Individuen zu machen, die zwischen verschiedenen Optionen wählen können. Was die Waffenlobbyisten und ihre Verbündeten hingegen propagieren, ist das verantwortungslose Recht des Stärkeren – und somit die Pervertierung des Begriffs der Freiheit.
25 May 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die deutsche Polizei registriert weniger Verstöße gegen das Waffengesetz als noch im Vorjahr. Damit setzt sich ein rückläufiger Trend fort.
Der Ex-Präsident spricht bei der Jahrestagung der Waffenlobby NRA in Houston. Derweil kommen weitere Details des polizeilichen Versagens ans Licht.
Greg Abbott will bei der NRA-Jahrestagung am Freitag in Houston nicht vor Ort sein. Ex-Präsident Trump hingegen steht auf der Rednerliste.
Neue Erkenntnisse legen nahe, dass das Massaker in der Grundschule von Uvalde viel früher hätte beendet werden können. Angehörige sind fassungslos.
Über den Täter, der in einer Grundschule in Texas 19 Kinder erschoss, ist noch wenig bekannt. Die Debatte über US-Waffengesetze wird schärfer.
Ein Mann stürmt bewaffnet in eine Grundschule und tötet mindestens 19 Kinder. „Wann in Gottes Namen werden wir der Waffenlobby die Stirn bieten?“, fragt Biden.
Rechtsextremisten werden nicht als solche geboren, sondern dazu gemacht. Um das zu verhindern, ist eine Auseinandersetzung mit unserem Rassismus nötig.
Während Joe und Jill Biden den Tatort besuchen, werden immer mehr Details zur Planung des rassistischen Anschlags vom Samstag bekannt.
Erneut stürmte ein Schütze eine Vorlesung an einer US-Hochschule. Diesmal kostete der Amoklauf an einer Universität in Illinois bis jetzt sechs Menschen das Leben.