taz.de -- taz-Geschäftsführer über Zeitungskrise: „Die Knappheit erhöht den Preis“

Zeitungspapier wird für Verlage immer teurer. Was bedeutet das für die Zukunft von Printzeitungen? Andreas Bull reflektiert.
Bild: Die Zeitung von heute ist das Altpapier von morgen

taz: [1][Bei der italienischen Tageszeitung Domani ] hat der Anstieg des Papierpreises Folgen für die Zeitung selbst: Statt hochwertigem 52-Gramm-Papier steigt sie nun gezwungenermaßen [2][auf das leichtere 42-Gramm-Papier um].

Auch die deutsche Zeitungsindustrie bekommt diesen Druck zu spüren. Branchenexpert:innen gehen davon aus, dass die Preissteigerung des Papiers hierzulande noch einige Jahre anhalten könnte. Die Papierindustrie schließt meist nur noch Vierteljahresverträge ab. Ist diese Entwicklung der endgültige Marker für das baldige Ende der gedruckten Zeitung?

Andreas Bull: Die Höhe des Papierpreises ist volatiler und unsicherer geworden. Das liegt auch daran, dass der Preis verstärkt von Handelsbeziehungen und Marktentwicklungen abhängig ist, die eine unvorhersehbare Eigendynamik annehmen können. Außerdem ausschlaggebend war die Pandemie: 2020 wurden weniger Zeitungen gedruckt, heißt es gibt weniger Altpapier, das wiederum ein wichtiges Basisprodukt für den Druck neuer Zeitungen bildet. Diese Knappheit erhöht kurzfristig den Preis.

Hinzu kommt, dass viele Branchenunternehmen von Papier auf Pappproduktion umgestiegen sind, weil sie so vom Online-Bestell-Boom profitieren.Aber all diese kleineren Entwicklungen reihen sich nur in einen großen Trend ein. [3][Einen Erdrutsch im Printgeschäft verursacht der Papierpreis, der sich langfristig erhöht, nicht.]

Können Zeitungsverlage sich von der Ampelkoalition eine größere Unterstützung erhoffen als von der vorherigen schwarz-roten Regierung?

Die Ampel ist glaubwürdiger, wenn es darum geht zu klären, was genau gefördert werden soll. Denn das Ganze muss man differenziert betrachten: nicht das Anzeigengeschäft, das ein veraltetes Modell ist, braucht weitere Förderungen, sondern kleinere Verlage und der unabhängige Journalismus. Hierfür ist die neue Generation von Politiker:innen hoffnungserweckender, weil sie näher dran sind an den modernen Problemen des Journalismus, nicht so sehr in alten Strukturen verharren und weniger vom Lobbyismus unter Druck stehen.

Wohin entwickelt sich das Zeitungsgeschäft langfristig?

Im Moment rentiert sich die gedruckte Zeitung als Teilgeschäft noch – weil viele Leser:innen die Preise immer noch bezahlen. Für uns als taz lautet das langfristige Ziel aber: Wir wollen hauptsächlich die Redaktion entlohnen und nicht Druck und Vertrieb. Wenn alles digital läuft, zahlt die Kundschaft für die Inhalte und nicht für das Papier, auf dem diese stehen. So kommt am Ende auch mehr bei den Redaktionen an.

30 Jan 2022

LINKS

[1] https://www.editorialedomani.it/idee/commenti/domani-costretto-a-usare-una-carta-piu-leggera-10-grammi-che-rivelano-trasformazioni-globali-al3rbxv7
[2] /!263080/
[3] /taz-im-Netz-und-in-der-App/!vn5826597

AUTOREN

Anna Meyer-Oldenburg

TAGS

Zeitung
Papier
Medienkrise
Schwerpunkt Zeitungskrise
Online-Journalismus
Recyclingpapier
Schwerpunkt Stadtland
Digital
taz.gazete

ARTIKEL ZUM THEMA

Ende der Sonntagszeitungen: Nur noch am Tablet

An Ostern gibt es die Wochenendausgaben von gleich zwei Berliner Zeitungen zum letzten Mal: Tagesspiegel und Morgenpost. Sonntagszeitungen sind out.

Nach 18 Jahren: „Vice Deutschland“ wird eingestellt

Seit 2005 erschien das Lifestyle-Magazin „Vice“ auf Deutsch. Jetzt steht fest, dass der Ableger Ende März geschlossen wird.

Zu wenig Papier für die Druckereien: Rohstoffkrise trifft Verlage

Der Mangel an Papier stellt die Buchverlage vor Probleme. Vor allem für Comics ist das richtige Material wichtig. Besserung? Vorerst nicht absehbar.

Journalistik-Professor über Zeitungen: „Nicht nur vom Sterben sprechen“

Man müsse über staatliche Förderung sprechen, meint Journalistik-Professor Klaus Meier. Weil Journalismus auch eine Infrastruktur der Demokratie ist.

Soziale Ausgrenzung bei Digitalisierung: Alt, aber kein Idiot

Ein Rentner in Spanien fühlt sich durch die zunehmende Digitalisierung von Banken sozial ausgegrenzt. Die angestoßene Debatte ist bitter nötig.

Krise in der Türkei: Warten auf die Dürre

Seit Beginn der Wirtschaftskrise sind die Produktionskosten für ein Buch um 75 Prozent gestiegen. Verleger fürchten um ihre Existenz.

Besuch bei einer Unternehmerfamilie: Herr Li und die Mao-Lieder

Li Hongfu kauft und verkauft Papier. Seiner Firma geht es schlecht, weil der Papierpreis gestiegen und die Nachfrage gesunken ist. Wie kommt er durch die Krise?

Wie Medienverlage die Finanzkrise nutzen: Gelegenheit macht Krise

Zeitschriften und Zeitungen sparen drastisch, Redaktionen werden ausgedünnt, Titel werden eingestellt. Der Markt ist schwierig geworden, heißt es. Dabei ist alles von langer Hand geplant.