taz.de -- „Return to Dust“ im Berlinale-Wettbewerb: Sich sein Blut bezahlen lassen

Li Ruijuns Film blickt in den entlegenen Norden Chinas. Er wirkt wie eine Fortsetzung der Kosslick-Tradition, statt wirklich innovativ zu sein.
Bild: „Yin Ru Chen Yan“ ist der Originaltitel von „Return to Dust“

„Alle warten drauf, dich zu sehen.“ Lange lässt der Esel sich nicht bitten, hebt den Kopf und blickt durch das Loch in der Lehmwand. Erwartet wird jedoch nicht der Esel, sondern Youtie Ma, der Bauer neben dem Esel. Ma ist der Außenseiter der Familie, lebt zurückgezogen und sucht eher den Kontakt zum Esel als zu den Menschen.

Die Familie vermittelt ihm eine Heirat mit Cao Guiying, die aufgrund ihres Alters und einer Behinderung ihrerseits die Außenseiterin in ihrer Familie ist. Als Guiying im Hof steht und Mas Esel streichelt, ist die Ehe auch zwischen den beiden beschlossen. Li Ruijuns Wettbewerbsbeitrag „Yin ru chen yan“ (Return to Dust) ist ein Film über zwei Außenseiter, die sich dennoch lieben lernen.

Die Ehe der beiden beginnt als wortloses Miteinander. Ein Gebet an seine verstorbene Mutter ist das erste Mal, dass Ma länger redet. Gegenüber Guiying wird er allmählich zugewandter. „Return to Dust“ zeigt ein bäuerliches Leben in äußerster Armut ganz im Norden Chinas. Gedreht wurde am Geburtsort des Regisseurs in der Provinz Gansu in der Nähe der mongolischen Grenze.

Weil Ma als Einziger im Dorf rhesus-negativ ist, soll er in der Stadt Blut spenden. Als Ma später im Dorfladen Saatgut auf Kredit kauft, ziehen ihn die Dorfbewohner auf, warum er sich sein Blut nicht hat teurer bezahlen lassen. Li zeigt Ma als vollkommen desinteressiert an der Logik kapitalistischer Verwertung. Er ist immer hilfsbereit, wird nicht selten übers Ohr gehauen, so wie von dem Händler, der ihm seinen Weizen abkauft und wieder und wieder zu Mas Ungunsten abrundet.

Mehr Innovation bitte

Leider braucht man nur etwa 15 Minuten von „Return to Dust“, um zu wissen, wie die nächsten zwei Stunden verlaufen werden. Der Film wirkt wie die gurkige Fortsetzung der Kosslick-Tradition mittelmäßiger chinesischer Filme im Berlinale-Wettbewerb, die einem zuletzt das chinesisch-mongolische Drama „Öndög“ eingebracht hatte.

Dass „Return to Dust“ aussieht wie die Filme der fünften Generation der 1990er Jahre, wirft einmal mehr die Frage auf, wie sinnvoll bei chinesischen Produktionen der Fokus auf Autorenfilme ist, der sich bei Filmfestivals beharrlich hält.

Längst ist der unabhängige Dokumentarfilm in China deutlich innovativer, für Wettbewerbe großer Festivals jedoch anscheinend nicht glamourös genug. Die bildgewaltigen Genrefilme wiederum scheinen in ihrem Vertrauen auf großes Bumm zu populär und politisch, nicht selten zu propagandistisch. Am Ende bleibt dann ein Film wie „Return to Dust“ als Füllmaterial für einen Wettbewerb, der eigentlich löblich versucht, geografisch ausgewogen zu sein. Bei „Return to Dust“ hat das den Preis der Belanglosigkeit.

14 Feb 2022

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Fabian Tietke

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