taz.de -- Bericht eines NGO-Leiters aus Uganda: „Die Luft wird dünner“
Ugandas Regierung hat das EU-Demokratieförderprogramm blockiert. Viele Organisationen können nicht mehr aktiv sein. Ein NGO-Leiter berichtet.
Kampala taz | Als die ersten Gerüchte in den sozialen Medien herumgingen, dachte ich, jemand wolle mich an der Nase herumführen. Ich bekam dann einen regelrechten Schock.
Von einem Tag auf den anderen fror unser Präsident Yoweri Museveni die von Europa finanzierten Projekte des DGF (Democratic Governance Facility) in Uganda ein. Er beschuldigte einige Organisationen, die aus dem DGF-Fonds finanziert werden, mit der Opposition zusammenzuarbeiten, und beschimpfte seine Leute im Finanzministerium, dass sie korrupt seien, ein solches Programm in Uganda erlaubt zu haben.
[1][DGF ist ein von acht europäischen Botschaften und der EU finanziertes Programm], das seit 2011 ugandische Organisationen unterstützt, die sich für Menschenrechte, Demokratie und Zugang zum Justizsystem einsetzen. Zahlreiche regierungskritische NGOs finanzieren sich darüber.
Auch wir, der Think-Tank [2][„Hub for Investigative Media“ (HIM)], finanzieren unsere Projekte zum Thema Informationsfreiheit seit 2018 aus dem DGF-Fonds. Wir trainieren lokale Autoritäten über die Auskunftspflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern. Wir klären die Bevölkerung auf, wie sie von ihrer politischen Führung Transparenz im Umgang mit Steuergeldern und Rechenschaft einfordert, um Korruption zu bekämpfen.
Die ersten Gerüchte, dass das Programm dichtgemacht wird, gab es bereits vor den Wahlen im Januar 2021. Aber wir Leute in der Zivilgesellschaft hätten es niemals für möglich gehalten, dass der Präsident einfach europäische Gelder einfrieren lässt. Als Museveni dann im Februar seine Rede an die Nation hielt, saß ich ganz aufgeregt vor dem Fernseher. Und da sagte er es: „Die DGF-Projekte sind eingefroren.“ Ich saß mit aufgerissenen Augen vor dem Bildschirm und fragte mich: „Was soll das?“ Wie kann ein Präsident eines Tages einfach die ganze Zivilgesellschaft in seinem Land dichtmachen? Er hat nicht einmal einen Grund genannt.
Wir dachten alle, der Präsident würde erst einmal mit den europäischen Botschaftern und EU-Vertretern verhandeln. Wir dachten erst, die Sache lässt sich einfach aus der Welt schaffen, es handle sich um ein Missverständnis und Museveni sei unter Druck wegen den Wahlen. Aber nichts ist geschehen, bis heute.
Hintergrund war: Wir DGF-Partner hatten vor den Wahlen eine Initiative gestartet, gemeinsam als Wahlbeobachter zu fungieren, weil die internationalen Wahlbeobachter ihre Teilnahme abgesagt hatten. Dafür suchten wir einen Namen. Ein Vorschlag war „NEW Uganda“, das sollte für „National Election Watch“ stehen. Gleichzeitig hatte aber die Oppositionspartei NUP (Nationale Einheitsplattform) unter Bobi Wine eine Kampagne mit dem Slogan „New Uganda“ gestartet. Das war ein ganz blöder Zufall. Wir haben es zu spät gemerkt. Als wir uns dessen bewusst wurden, hatten wir uns bei der Wahlkommission schon unter diesem Namen registriert. Kurz darauf bekamen wir böse Briefe vom Innenministerium und dem Präsidentenbüro.
Bis heute ist es nicht gelungen, dieses Missverständnis aus dem Weg zu räumen. Die Verhandlungen zwischen den Europäern und Museveni sind im Sand verlaufen. Wir Projektleiter haben eine E-Mail vom DGF bekommen: Alle Gelder sind eingefroren. Von diesem Moment an konnten wir keine Büromieten mehr begleichen, unsere Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. Unsere Projekte standen von einem Tag auf den anderen einfach still.
100 Prozent unserer Gelder kamen vom DGF. Deswegen ist unser Programm quasi seit Februar 2021 tot und über 130 Mitarbeiter sitzen arbeitslos zu Hause. Seitdem müssen wir um das Überleben unserer Familien kämpfen. Unsere Gehälter haben bisher immer ausgereicht, unsere Kinder zur Schule zu schicken. Man muss dazu sagen: Wegen Corona waren unsere Schulen zu und die Schulgebühren werden erst jetzt 2022 fällig. Aber es ist hart – und je länger es dauert, desto härter wird es.
Faktisch bedeutet dies, dass das Regime die Zivilgesellschaft bankrottgehen lässt. Wir müssen uns jetzt nach anderen Jobs umsehen, in der Wirtschaft oder anderswo, um zu überleben. Einige NGOs hat es noch schlimmer getroffen. Sie wurden aufgrund von angeblichen Unregelmäßigkeiten in den Finanzen komplett dichtgemacht. Darunter die NGO [3][Chapter Four] des bekannten Bürgerrechtlers [4][Nicholas Opiyo]. Er ist nun an die Universität zurückgegangen, um zu studieren. Der Direktor von [5][CCEDU (Bürgerkoalition für Wahldemokratie)], Crispy Kaheru, wurde von der Regierung angeworben und bekam einen guten Job.
Die Top Ten der Zivilgesellschaft sind mit einem Streich zerschlagen worden. Ich fürchte, das ist erst der Anfang.
Chapter Four wurde vorgeworfen, Abgaben nicht geleistet zu haben. Ihre Konten wurden eingefroren. Dabei habe ich ihren Buchhalter getroffen, als ich meine Abgaben bezahlt habe – er stand mit mir in der Warteschlange. Die haben dieselbe Quittung wie ich bekommen.
Es ist ein Vorwand, unangenehme NGOs loszuwerden. So haben die Behörden uns das auch kommuniziert. Der Direktor der Finanzaufsichtsbehörde, der die Kontoeinfrierung veranlasst hat, ist ein Freund von uns. Er hat uns sogar eine Whatsapp-Nachricht geschickt. „Sorry, mir sind die Hände gebunden“, schrieb er.
Wir wissen ja, wo solche Anweisungen herkommen. Sie kommen von ganz oben. Doch der Präsident ist hier sehr schlecht beraten. Leute in seinem Zirkel haben ihm eingeflüstert, dass der DGF die Opposition finanziert. Und mit dieser Anweisung schießt sich die Regierung selbst ins Knie. Der DGF hat auch Projekte in Gefängnissen finanziert, Matratzen und Bettzeug für Gefangene. Diese Projekte werden auch dichtgemacht.
Die Anschuldigungen kamen nicht über Nacht. Es gab in den sozialen Medien bereits vorher eine Kampagne. Dabei wurde der DGF beschuldigt, korrupt zu sein. Doch was passiert war, war folgendes: Einige Museveni-treue Leute hatten versucht, ihre eigenen NGOs über das Programm zu finanzieren, und sie wurden nicht zugelassen, denn die DGF-internen Regeln zu Buchhaltung und Korruption sind sehr streng. Daraufhin starteten diese Leute eine Vendetta.
Was diese Leute nicht verstehen, ist: Wenn wir über Korruption sprechen oder bessere Regierungsführung, ist das nicht politisch gemeint. Es ist nicht gegen Museveni, sondern für ein besseres Uganda.
Wir sind in Uganda jetzt auf einem dunklen Weg und vor uns liegt eine ziemlich düstere Zukunft. Denn man sieht: Uganda wendet sich von all den demokratischen Prinzipien ab, die Musevenis Regierung einmal gepredigt hat. Die Luft für uns in der Zivilgesellschaft wird immer dünner.
Protokoll: Simone Schlindwein
10 Jan 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In Afrika sind durch Kriege und Konflikte ganze Gesellschaften traumatisiert. Doch es haben sich Wege zur Heilung gefunden.
In Uganda ist Präsident Museveni seit 36 Jahren an der Macht. Dass jetzt sein Sohn übernehmen soll, deutete unlängst eine rauschende Party an.
Der ugandische Schriftsteller Kakwenza Rukirabashaija hat es nach seiner Flucht nach Deutschland geschafft. Ein Gespräch über seine Verhaftung und heilende Narben.
Kakwenza Rukirabhaija hat den Sohn des Präsidenten beleidigt. Jetzt sitzt der Schriftsteller in Haft und wird wohl gefoltert. Nicht zum ersten Mal.
Militäroffensive im Kongo, Verhaftungen und Folter im eigenen Land: Uganda will die islamistisch radikalisierten ADF-Rebellen endgültig zerschlagen.
Ugandas Feuerwehr hat einen schlechten Ruf. Bei Einsätzen kämpft sie mit defekten Hydranten. Nun sollen deutsche Löschfahrzeuge Abhilfe schaffen.
Ugandas Präsident Yoweri Museveni sichert sich seine Macht mit immer autoritäreren Mitteln. Er nimmt dabei die Fragmentierung seines Landes in Kauf.